Berlin. Für alle Fälle: Am Rande des Düppeler Forstes ließen die Nazis Luftschutzwarte ausbilden. Die wichtigsten Infos zu dem Lost Place.
Leerstehende OP-Säle, verwaiste Behandlungsräume, Staubschichten auf medizinischem Gerät: Mitten auf der idyllischen Wannsee-Insel umrandet vom Düppeler Forst errichteten die Nationalsozialisten ihre Reichsluftschutzschule, die nach dem Krieg zuerst in eine Tbc-Behandlungsstation und dann in die Lungenklinik Heckeshorn umgebaut wurde. Die Klinik zählte einst zu den besten Adressen in Deutschland, wenn es um die Behandlung von Lungenerkrankungen ging. Dann zog das Krankenhaus 2007 an einen neuen Standort um – und in den Hallen und Fluren in Heckeshorn gingen die Lichter aus. Die wichtigsten Infos zu dem Lost Place in Steglitz-Zehlendorf.
Das sind die Fakten zur ehemaligen Lungenklinik Heckeshorn:
- Adresse: Am Großen Wannsee 80, 14109 Berlin-Wannsee
- Geschichte: Zwischen 1938 und 1939 als Reichsluftschutzschule nach Plänen des Architekten Eduard Jobst Siedler (1880-1949) errichtet; von 1941 bis 1943 Anbau des Hochbunkers Heckeshorn; nach Kriegsende kurzzeitig Kaserne der US-Armee, ab 1947 Städtisches Tuberkulosekrankenhaus Heckeshorn; seit 2004 gehörte die Station zur Helios Kliniken GmbH; 2007 Umzug an neuen Standort; seitdem Leerstand
- Führungen: Die Tour H des Vereins Berliner Unterwelten führt durch den Hochbunker Heckeshorn – wird allerdings derzeit nicht angeboten.
- Denkmalschutz: Objekt-Nr. 09075480
- Status: Lost Place
Wo liegt die ehemalige Lungenklinik Heckeshorn genau?
Das Gelände der ehemaligen Reichsluftschutzschule befindet sich auf der Wannsee-Insel in Heckeshorn an der Adresse Am Großen Wannsee 80 im Ortsteil Wannsee des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Anlage am besten mit der Buslinie 114 (Haltestelle Zum Heckeshorn) zu erreichen. Von der Haltestelle ist es ein etwa achtminütiger Fußweg bis zum Haupteingang der ehemaligen Klinik. Achtung: Es handelt sich um Privatgelände. Das Betreten ist für Unbefugte nicht erlaubt. Auch interessant: Lost Places: Diese Strafen drohen bei Hausfriedensbruch
Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte der ehemaligen Lungenklinik Heckeshorn:
Ausgangslage: Vorbereitung auf den Luftkrieg um Berlin
Ende der 1930er-Jahre wurde die luxuriöse Wohngegend um den Großen Wannsee – vor allem die Colonie Alsen mit ihren prächtigen Villen – von NS-Organisationen in Beschlag genommen, nachdem die ursprünglichen Besitzer größtenteils in die Emigration gezwungen worden waren. Die neuen Mieter rund um den See: Reichssicherheitsdienst, SS, Auswärtiges Amt & Co. Alles was im NS-Staat Rang und Namen hatte und das nötige Kleingeld mitbrachte.
Im Jahr 1937 begannen die Planungen für die Reichsluftschutzschule – ein Prestigeprojekt des Luftwaffen-Oberbefehlshabers Hermann Göring. In der Schule sollten Luftschutzwarten für ganz Deutschland ausgebildet werden. Es war ein wichtiger Baustein für die Kriegspläne des NS-Staates. Rasch wurden vom wenige Jahre zuvor gegründete Reichsluftschutzbund (RLB) die nötigen Grundstücke für das knapp 100.000 Quadratmeter große Areal in Heckeshorn am Rand des Düppeler Forstes zusammengekauft. 1938 begannen die Bauarbeiten.
NS-Reichsluftschutzschule: So war die Anlage aufgebaut
Den Entwurf der Anlage lieferte Eduard Jobst Siedler (1880-1949), der Architekt des Zehlendorfer Rathauses und des Erweiterungsbaus der Reichskanzlei in Berlin-Mitte. Ein wesentlicher Aspekt seiner Planung war es, das Gebäudeensemble in Form einer Kameradschaftssiedlung in die bewaldete Umgebung einzubetten: Rötlich braune Reihen- und Siedlungshäuschen mit zurückhaltender Backsteinornamentik sollten die Illusion einer gediegenen Wohnsiedlung in nobler Gegend erzeugen, kurvige Wegeverläufe und viele Grünflächen die Aufklärung der Anlage aus der Luft erschweren.
Hinter dem Torhaus Am Großen Waldsee 80 öffnete sich ein mit Kiefern umsäumter weiter Platz, der von zwei zweigeschossigen Gebäuden eingefasst war: dem Schulgebäude auf der linken Seite mit riesiger gläserner Eingangshalle und dem gegenüberliegenden Wohlfahrtsgebäude mit großem Vortragssaal, Kantine, Bierkeller, Kegelbahn und Wirtschaftsflügel. Eine geschwungene Straße führte von hier aus in eine Senke hinunter, wo sich weitere Schulungsgebäude und zweigeschossige Wohnhäuser am Waldrand befanden. Bis 1939 wurden neben den Schulungsgebäuden, den Unterkunftshäusern für die Mannschaften und Nebengebäuden auch die Verwaltungsgebäude, Werkstätten und Garagen aus dem Boden gestampft.
NS-Reichsluftschutzschule: Hochbunker für die "Luftflotte Mitte"
Im Mai 1939 war es dann endlich soweit. Die neue Reichsluftschutzschule konnte von Hermann Göring im Kreise zahlreicher NS-Bonzen eingeweiht werden. Die Nachbarn waren zwar verärgert gewesen über den Gestank und die Lautstärke der pausenlos anrollenden Truppenbusse, mussten sich aber mit dem neuen Anrainer arrangieren. Und das buchstäblich massivste Bauprojekt sollte erst noch kommen: Anfang der 1940er-Jahre wurde Siedler mit einem Erweiterungsbau beauftragt.
Zwischen Verwaltungs- und Schulgebäude wurde bis 1943 ein Hochbunker gebaut – ein Koloss aus Stahlbeton mit bis zu vier Meter dicken Wänden. Nach der Fertigstellung zog der Stab der "Luftflotte Mitte" ein, der von hier aus die Luftverteidigung von Berlin – Jagdflieger, Flakverteidigung und Sireneneinsatz – koordinierte. Kurz vor Kriegsende ließ sich die Wehrmachtsführung in den Bunker evakuieren, bevor sie aus der umkämpften Hauptstadt flüchteten. Es soll sogar kurzzeitig Überlegungen gegeben haben, Hitler aus dem Führerbunker in Mitte nach Wannsee zu bringen.
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NS-Reichsluftschutzschule: Behelfslazarett in den letzten Kriegstagen
Ende April 1945 wurde Wannsee heftig umkämpft. Vor dem Befehlsbunker Heckeshorn wurden versprengte Volkssturmtruppen in Stellung gebracht. Die Reichsluftschutzschule war längst zu einem Hilfslazarett umfunktioniert worden, in der Verletzte und Verstümmelte in Holzbaracken auf ihre Behandlung warteten, und auch in den Luxusvillen der Umgebung, die nun Behelfslazarette waren, stapelten sich die Kriegsversehrten. In Berlin gab es kaum noch funktionierende Krankenhäuser.
Die letzten behandelnden Ärzte zogen sich beim Einmarsch der Roten Armee in den Hochbunker zurück, spielten aber beim Wiederaufbau am Wannsee eine entscheidende Rolle: Aus den provisorischen Lazaretten entstand in der Nachkriegszeit das Städtische Krankenhaus Wannsee, das in insgesamt sechs Wannsee-Villen untergebracht war. Das Areal der ehemaligen Reichsluftschutzschule wurde zuerst als Baracke der US-Armee genutzt.
Ehemalige Lungenklinik Heckeshorn: Anfänge als Tbc-Klinikum mit Liegekuren
In der Nachkriegszeit war Tbc zum Problem geworden. Von der nach dem Zweiten Weltkrieg grassierenden Tuberkulose-Epidemie waren allein in Berlin und Umgebung 65.000 Menschen betroffen gewesen. Die US-Administration reagierte: Ab 1947 wurden die noch vorhandenen Gebäude der Ex-Reichsluftschutzschule zum Tuberkulosekrankenhaus Heckeshorn umfunktioniert.
Die Ausstattung war zunächst äußerst bescheiden mit Feldbetten, einem überalterten Röntgengerät und einem einzigen Pneumothorax-Apparat zur Bekämpfung der Lungentuberkulose. Die Klinikleitung befand sich bis 1977 im jetzigen Haus J neben dem alten Haupteingang. Das Haus Collignon Am Großen Wannsee 72/76 wurde zum Ärztehaus mit eigenem Speisesaal und Zimmern für Gastärzte umgebaut. In seinen Nebengebäuden mit Auslauf zum Garten waren Personalwohnungen und die Tierversuchsställe mit Schafen, Meerschweinchen und Kaninchen untergebracht.
Das ehemalige Offizierskasino diente als Patientenspeisesaal. Zur Mittagszeit näherten sich Kolonnen von Patienten aus den umliegenden Holzbaracken, die zu Patientenstationen umgerüstet worden waren. Die Kräuter und das Gemüse der hauseigenen Gärtnerei fanden in der Kantine Verwendung. 1953 fanden mit der Errichtung von mehreren Pavillon-Flachbauten die ersten größeren baulichen Veränderungen statt. Die neuen Quartiere waren mit ebenerdigen Liegeterrassen ausgestattet, auf die die Patienten mit ihren Betten herausgeschoben werden konnten. Einzelne Ärzte führten motorisierte Stippvisiten durch. Sie fuhren auf dem Motorrad an den Terrassen vorbei.
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Ehemalige Lungenklinik Heckeshorn: Ausbau zu einer der innovativsten Fachkliniken Berlins
1959 wurde das Krankenhaus in "Städtische Klinik für Lungenkranke" umbenannt und Anfang der 1960er-Jahre das Krankenhaus zu einer Lungenfachklinik für alle Erkrankungen der Atemwege erweitert. Die Klinik bestand seit 1963 aus vier Abteilungen – Diagnostik, Innere Medizin, Chirurgie, Pädiatrie – sowie einem Zentrallabor für Mikrobiologie, einem klinisch-chemischen Labor und den Instituten für Röntgenologie und Pathologie. Einzelnen Abteilungen zugeordnet, aber allen klinischen Abteilungen offen stand die Endoskopie und das Atmungslabor, das Allergielabor, das Schlaflabor und die Physiotherapie.
Die Tuberkulose-Bekämpfung blieb zwar ein Schwerpunkt an der Klinik, doch wurde sie um die Behandlung anderer Lungenkrankheiten ergänzt. Ein Novum im bundesdeutschen Raum war die Einführung des Department-Systems nach amerikanischen Vorbild. In engem Austausch miteinander stimmten sich die unter selbstständiger Leitung stehenden Abteilungen in der Diagnose und Behandlung von Patienten ab.
Ehemalige Lungenklinik Heckeshorn: Spitzenforschung am Düppeler Forst
Zwischen 1962 und 1965 wurde die Klinik um Schwestern- und Personal-Appartements erweitert. Es entstanden Laboratorien, Wirtschaftsgebäude mit Werkstätten, eine Desinfektionsanstalt, Garagen und eine eigene Wäscherei. Die Lungenklinik verfügte über einen Fuhrpark mit Lkws, eine eigene Tankstelle und eine Post. Der brachliegende Bunker auf dem Gelände wurde bis 1967 als Pathologie und Leichenhalle genutzt, dann beendete ein Neubau die kreative Zwischennutzung und der Bunker wurde für Millionensummen zum ABC-geschützten Notfallkrankenhaus umgerüstet.
Der wichtigste Bau der 1970er-Jahre war das lange geplante, und 1977 endlich fertiggestellte, neue Diagnostikum. Es beherbergte das Allergie- und Atmungslabor sowie die Endoskopie, pneumologische Intensivstation und die Röntgen- und Nuklearmedizinische Abteilung. An der Lungenklinik wurden einige medizinische Pionierleistungen vollbracht: So wurde hier beispielsweise erfolgreich Deutschlands erste nächtliche Heimbeatmung bei chronischer respiratorischer Insuffizienz durchgeführt.
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Ehemalige Lungenklinik Heckeshorn: Lost Place auf der Wannsee-Insel seit 2007
1970 wurde der Standort in Lungenklinik Heckeshorn umbenannt und 1976 mit dem Behring-Krankenhaus zum Krankenhaus Zehlendorf zusammengefasst. Seit 1984 war die Lungenklinik außerdem onkologisches Schwerpunktkrankenhaus im Tumorzentrum Berlin. Zwischen 1996 und den 2000er-Jahren war in der Lungenklinik Heckeshorn auch das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK) angesiedelt. Dann kam das Aus. Nicht für die Klinik selbst, aber für den Standort.
Nach mehreren Trägerwechseln gehört Heckeshorn seit 2004 zur Helios-Kliniken-Gruppe. 2007 zog die Klinik gemeinsam mit der Kinderklinik und begleitet von starken Protesten gegen eine befürchtete Schließung an ihren neuen Standort auf dem Gelände des Helios Klinikums Emil von Behring nach Zehlendorf. Auf Heckeshorn verblieb nur das Deutsche Rote Kreuz mit einer Blutspende-Station, die hier Blutplasma lagert. Die alten Krankenhausgebäude fielen mit der Schließung in einen jahrelangen Dornröschenschlaf. Nur gelegentlich unterbrochen von Filmteams, die die verlassenen Gänge und Krankenhauszimmer in Heckeshorn als Kulisse nutzen.
Die ehemaligen Klinikgebäude in Heckeshorn wurden für zahlreiche TV-Produktionen genutzt: Unter anderem wurden hier Folgen für den Tatort, SOKO Wismar, die Sat.1-Krankenhausserien "Für alle Fälle Stefanie" und "Klinik am Alex", die RTL-Sitcom "Schwester, Schwester" und die Medical-Serie "Nachtschwestern" gedreht. 2010 nutzte das Team der RTL-Serie "Doctor’s Diary" die Krankenhausgebäude als Drehort und auch für den US-Thriller "Unknown Identity" (2011) Liam Neeson und Diane Kruger wurde Heckeshorn in eine Filmkulisse verwandelt.
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Ehemalige Lungenklinik Heckeshorn: Jahrelanger Verfall der alten Klinikgebäude
Währenddessen verwandelten sich die Teile des Klinikums, auf die keine Filmkameras gerichtet waren, in eine moderne Ruinenlandschaft. Der jahrelange Leerstand hat seine Spuren hinterlassen. Im Inneren: Vandalismus und Zerstörung. Von den Wänden blättert der Putz, am Boden sammelt sich Dreck und Schutt von zerstörter Einrichtung und maroder Bausubstanz, die immer mehr verfällt. Von der Decke hängende Kabel, zerbrochene Fensterscheiben, vor sich hin rottende Holzeinbauten und Blätter und Laub in den Krankenhausfluren – nichts erinnert an die einst strengen Hygienebestimmungen im Haus.
Geisterhaft wirken die noch verbliebenen sanitären und medizinischen Einbauten des Krankenhauses. Inmitten des Verfalls zeugen sie von der einstigen Nutzung als Heilungsstätte. Ebenso wie die vielen Hinweisschilder, die längst keinen Zweck mehr erfüllen. Jahrzehntelang hatten sie Personal und Patienten den Weg gewiesen und vor Gefahren gewarnt – jetzt sind sie Überbleibsel einer medizinischen Ruinen-Landschaft aus leerstehenden Operationssälen und ewig langen Krankenhausfluren. An den Fassaden vieler die ehemaligen Klinikgebäude ranken heute wildwuchernde Pflanzen empor und hüllen die maroden Bauten in eine Decke aus Grün.
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Ehemalige Lungenklinik Heckeshorn: Und wie sieht die Zukunft aus?
Während der Corona-Pandemie war der Standort für ein Notfallkrankenhaus im Gespräch. Auch die damalige Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) hätte in Heckeshorn gerne wieder ein Krankenhaus gesehen. Ein Gesundheitszentrum sahen auch die Anträge von Bezirksverordneten vor, die das Klinikareal für die Einrichtung einer Long-Covid-Ambulanz nutzen wollten. Doch die Entscheidung liegt nicht allein in der Hand des Bezirks. Verwaltet wird das Gelände von Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM).
Nach gescheiterten Versuchen der Stadt Berlin das Grundstück über den Liegenschaftsfond zu veräußern, wurden einzelne Gebäude der ehemaligen Klinik seit 2015 für die Unterbringung geflüchteter Menschen genutzt. Ein Ausbau der Flüchtlingsunterkünfte scheiterte an den Protesten von Naturschützern und Anwohnern: 2017 hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Baugenehmigungen erteilt, um dort 794 Flüchtlinge unterzubringen. Der Bau wurde nach einer Klage zum Schutz dort nistender Fledermäuse und Vögel gerichtlich untersagt. 2021 erlosch der Bauantrag.
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