Berlin. Die Bröndby-Schule wurde 1989 „vorübergehend“ geschlossen – und nie wieder geöffnet. Die wichtigsten Infos zum ehemaligen Lost Place.

In den Wänden dieser Schule schlummerte jahrelang buchstäblich Gift. Während die Schüler und Lehrer der Bröndby-Oberschule an der Dessauerstraße in Lankwitz (Steglitz-Zehlendorf) nichtsahnend dem Lehrbetrieb nachgingen, Prüfungen absolvierten und sich in der Mensa über das Angebot beklagten oder freuten, waren sie von der krebserzeugenden „Wunderfaser“ Asbest umgeben.

1989 wurde das Schulgebäude wegen Giftstoffbelastung geschlossen und die Schule zog in ein provisorisches Gebäude für die Dauer der Sanierungsarbeiten. In dem Provisorium findet der Schulbetrieb noch heute statt. Die ehemalige Schule aber verfiel über Jahre zu einem Horror-Lost-Place, der zuletzt nur noch Abenteuerlustige und unerschrockene Jäger von verlassenen Orten anzog.

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Das sind die Fakten zur alten Bröndby-Schule im Überblick:

  • Adresse: Dessauerstraße 37–39 / Ecke Retzowstraße, 12249 Berlin-Lankwitz
  • Geschichte: 1975 als Bröndby-Oberschule eröffnet; 1989 wurde das Gebäude wegen Asbestbelastung geschlossen; 2008 hat der Bezirk das ehemalige Schulgebäude dem Liegenschaftsfonds zur Verwaltung und Verwertung übertragen
  • Führungen: Keine
  • Status: Ehemaliger Lost Place. Das Gebäude wurde 2016 zugunsten eine Neubaus abgerissen

Wo lag die Bröndby-Schule genau?

Das marode Schulgebäude lag in der Dessauerstraße 37–39 im Ortsteil Lankwitz des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Grundstück am besten mit der Buslinie M82 (Haltestelle Eiswaldstraße) zu erreichen. Von dort ist es ein etwa sechsminütiger Fußweg entlang der Dessauerstraße bis zu dem Grundstück.

Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte der alten Bröndby-Schule

Ausgangslage: Die Wunderfaser Asbest tritt ihren Siegeszug an

Schöne neue Welt: Asbestfabrik in Bloomington, USA
Schöne neue Welt: Asbestfabrik in Bloomington, USA © picture alliance / AP Images | Uncredited | picture alliance / AP Images | Uncredited

Bereits um die Jahrhundertwende wurde die Asbestose, auch Staublungenkrankheiten, als Krankheit entdeckt. 1943 wurde Lungenkrebs als Folge von Asbestbelastungen als Berufskrankheit anerkannt. Es sollte aber noch mehr als drei Jahrzehnte dauern bis die Asbestfaser offiziell als krebserzeugend bewertet wurde.

Bis dahin hatte die Faser einen beispiellosen Siegeszug in der verarbeitenden Industrie angetreten: Sie fand schon früh als feuerfeste Kleidung für Feuerwehrleute Verwendung, bald wurde sie in Dachpappen und anderen Bauelementen benutzt und dann ab dem 20. Jahrhundert von Kunststeinplatten bis zu Blumentrögen und Telefon-Gehäusen in so ziemlich allem verarbeitet, was nur ansatzweise sinnvoll erschien.

Im Zweiten Weltkrieg wurden Postsäcke, Getränkefilter, Zahnpasta und Fallschirme für Bomben aus Asbest hergestellt. In der Nachkriegszeit waren vor allem Baustoffe wie Spritzasbest gefragt – und erst 1969 in der DDR und 1979 in der Bundesrepublik Deutschland verboten. Eines der vielen durch Asbest hochbelasteten Gebäude war das Schulgebäude der Bröndby-Oberschule.

Altes Bröndby-Schulgebäude: Nüchterner Funktionsbau der 1970er-Jahre

Beste Stimmung bei Bundeskanzler Willy Brandt (r, SPD) und Wissenschaftsminister Klaus von Dohnanyi (l, SPD) während der Debatte zum Bildungsgesamtplan im Deutschen Bundestag in Bonn am 1974
Beste Stimmung bei Bundeskanzler Willy Brandt (r, SPD) und Wissenschaftsminister Klaus von Dohnanyi (l, SPD) während der Debatte zum Bildungsgesamtplan im Deutschen Bundestag in Bonn am 1974 © picture-alliance/ dpa | Egon Steiner | picture-alliance/ dpa | Egon Steiner

Das Bildungszentrum wurde im Jahre 1975 in der Dessauerstraße eröffnet und 1976 nach der Kopenhagener Vorstadt Brøndby benannt. Die Bröndby-Schule gehörte zu den ersten Gesamtschulen, die mit dem Ziel einer Verbesserung der Chancengleichheit im Bildungssektor im Zuge der sozialdemokratischen Bildungsreform der 1960er- und 1970er-Jahren entstanden. Das Leitmotiv der damaligen bundesrepublikanischen Schulbauwelle bündelte sich in Willy Brands berühmten Motto: „Mehr Demokratie wagen“. Es war die Formel der Aufbruchszeit nach 1968.

Die Bröndby-Schule gehörte zu zwölf nahezu baugleichen Schulgebäuden, die in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre in Berlin gebaut wurden – und die alle später zu Problemfällen werden sollten. Architektonisch gehörte der Bau zu den typischen Funktionsbauten dieser Zeit: Viel Beton, Metall und farbliche Akzentuierungen – wie gelbgefasste Fenster und rotgestrichene Geländer – bildeten die Fassade des rechtwinkligen Kastenbaus. Im Inneren: Hastig eingezogene Trennwände, weite Flure, einige Holzeinbauten, doppelflügelige Glastüren, viel Haustechnik, Flachdach und dazu durch Schülerhand geschaffene Kunst. Ein Gebäude, dessen Erscheinung sich der Funktion unterordnete.

Altes Bröndby-Schulgebäude: Asbestbelastung führt zur Schließung der Schule

Ende der 1980er-Jahre wurde eine gefährliche Schadstoffbelastung in der Schule festgestellt. Zunächst versuchte die Schulbehörde 1988 durch Abdichtungsmaßnahmen den Lehrbetrieb in dem Gebäude aufrecht zu erhalten. Schüler und Lehrkörper der Oberschule protestierten. Während der Dichtungsarbeiten an den asbesthaltigen „Mobau“-Wänden setzte die Schulleitung Wandertage an und einige Klassen verlegten den Unterricht in den Pausenhof. Eine eilig einberufene Schulkonferenz forderte den Unterricht während der Sanierungsarbeiten bis zu den Sommerferien auszusetzen. Am Ende half alles Fugenverkleben nichts. Es wurde weiterhin eine nicht tolerierbare Schadstoffmenge gemessen.

Nach 14 Jahren Schulbetrieb wurde das Mittelstufenzentrum 1989/1990 wegen Asbestbelastung geschlossen. Die Schule zog in ein provisorisch errichtetes Gebäude am Rande des von der Schule genutzten Sportplatzes in der Dessauerstraße 63. Das Provisorium sollte ursprünglich nur so lange genutzt werden, wie die Schadstoffbeseitigung an der alten Schule in Anspruch nehmen würde. Doch in der Nachwendezeit wurde das Projekt immer wieder verschoben. Inzwischen hatte sich die Schule in ihrer Notunterkunft eingerichtet – bis heute ist die Bröndby-Schule, bei der es sich inzwischen um eine integrierte Sekundarschule mit gymnasialer Oberstufe handelt, an ihrem „provisorischen“ Standort zu finden.

Altes Bröndby-Schulgebäude: Lost Place inmitten von Lankwitzer Wohngebiet

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Frei nach Alice Coopers Textzeile „School′s out forever“ fiel das ehemalige Hauptgebäude der Bröndby-Schule seit Anfang der 1990er-Jahre in einen jahrzehntewährenden Dornröschenschlaf. Wer sich seinen Weg in die asbestbelastete Ruine schlug, traf dort auf eine bizarre Szenerie, die an eine Notevakuierung erinnern ließ: An den Wänden Kinderkunst vergangener Tage, Zeichnungen auf den Tafeln und verstreutes Schulmaterial wie Schulbücher und Stifte. Zum Teil fanden sich noch alte Klassenarbeiten und Schulunterlagen offen versprengt in den Fluren und Räumen.

Die Lost-Place-Schule wirkte ein wenig so, als würde sie sich in der Sperrzone Tschernobyls befinden und nicht in Steglitz-Zehlendorf. Die liegengelassenen Reminiszenzen des einstigen Schulalltags boten einen morbiden Kontrast zu dem Zustand des Gebäudes, das nach Jahren des Leerstandes einer modernen Ruine gleichkam: Zerschlagene Scheiben und Fliesen häuften sich zusammen mit Kabeln und zerschlagener Inneneinrichtung am Boden, Wände und Deckenteile stürzten ein oder wurden das Opfer von Vandalismus. Kaum eine Fläche der alten Schule wurde nicht großflächig durch Graffiti geschmückt. Immer wieder kam es zu Bränden.

Altes Bröndby-Schulgebäude: Die Asbest-Ruine findet keinen Käufer

Während das Schulgebäude kurz nach der Schließung noch als Filmkulisse diente – es wurde als Drehort für die sechsteilige ZDF-Weihnachtsserie "Ron und Tanja" genutzt und diente als Kulisse für Tanjas Schule – konnte in den nachfolgenden Jahren keine sinnvolle Verwendung mehr gefunden werden. Die Sanierung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Nach zehnjährigem Leerstand wurde das Gebäude im Jahr 2000 aufgrund der Haushaltslage des Landes Berlin und des schlechten Gebäudezustands endgültig aufgegeben.

2008 hat der Bezirk das ehemalige Schulgebäude dem Liegenschaftsfonds zur Verwaltung und Verwertung übertragen. Doch wegen der nach wie vor bestehenden Asbestbelastung war der Verkauf des mehr als 15.000 Quadratmeter großen Grundstücks schwer zu realisieren. Immer wieder wurde mit potentiellen Investoren verhandelt, immer wieder zerschlugen sich die Pläne an der hohen Investitionssumme, die eine Schadstoffsanierung des Geländes verschlungen hätte.

Nach zahlreichen fehlgeschlagenen Versuchen wurde das Gebäude samt Baufläche nach 23 Jahren Leerstand Ende 2013 der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Degewo als sogenannte Sacheinlage kostenlos überlassen. Die Baugesellschaft verpflichtete sich im Gegenzug die von vielen als Schandfleck von Lankwitz empfundene Asbestruine abzureißen.

Altes Bröndby-Schulgebäude: Abriss der Geisterschule und Neubauprojekt

Mitte 2015 gab es endlich Fortschritt an der Ruine der asbestbelasteten Bröndby-Schule. Kolonnen von Arbeitsfahrzeugen rückten an und es begann die Asbestsanierung. Das Gebäude wurde abgeschirmt; das belastete Schuttmaterial in Containern abtransportiert. Keine Schadstoffe sollten in die Umgebung des Wohnkiezes geraten.

Nach einer vollständigen Entkernung des Gebäudes bis auf das tragende Betongerippe wurde es zwischen Februar und September 2016 abgerissen und eine Baugrube ausgehoben – die in den nächsten Jahren das Bild an der Ecke Dessauerstraße zur Retzowstraße prägte.

Die Degewo-Baustelle an der Dessauerstraße in Berlin-Lankwitz.
Die Degewo-Baustelle an der Dessauerstraße in Berlin-Lankwitz. © Jörg Krauthöfer / FUNKE Foto Service

Auf dem Areal der ehemaligen Schule sollte ein neues Wohnviertel mit rund 260 Mietwohnungen, einer Kindertagesstätte, einer Pflegeeinrichtung und einer großzügigen Spielfläche für Kinder und Jugendliche entstehen. Doch der Baubeginn zögerte sich immer weiter hinaus. 2019 gab es schließlich grünes Licht für das Degewo-Bauprojekt und die Arbeiten für die Neubauten konnten beginnen. Heute erinnert in dem Berliner Wohnquartier nichts mehr an die Trümmer der alten Asbestschule.

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