Berlin. Das Stadtbad Steglitz ist seit mehr als 20 Jahren geschlossen und ein imposanter Lost Place in Berlin. Die wichtigsten Infos.

Generationen von Steglitzern besuchten das Stadtbad Steglitz, um ihre Bahnen im zentralen Wasserbassin zu ziehen, sich zu reinigen oder um in der russisch-römischen Sauna ins Schwitzen zu kommen. Es war ein Ort des Luxus und der Entspannung. Fast einhundert Jahre standen jedem die Tore des opulenten Jugendstilbads offen, der für geringes Geld ein Ticket an dem hölzernen Kassenhäuschen im Foyer erwarb. Doch dann kam aus Kostengründen das Aus. Der Badebetrieb wurde 2002 eingestellt und das trockengelegte Schwimmbad dämmert seitdem in einem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf vor sich hin. Die wichtigsten Infos zu dem Lost Place.

Das sind die Fakten zum Stadtbad Steglitz im Überblick:

  • Adresse: Bergstraße 90/Körnerstraße 52, 12169 Berlin-Steglitz
  • Geschichte: 1908 eröffnete das Stadtbad Steglitz; 2002 wurde es geschlossen; zwischen 2006 und 2014 als Clubtheater Berlin zwischengenutzt; seit 2014 Leerstand
  • Führungen: Keine
  • Denkmalschutz: Objekt-Nr. 09065483
  • Status: Aktueller Lost Place

Wo liegt das Stadtbad Steglitz genau?

Das Stadtbad Steglitz liegt in der Bergstraße 90 an der Ecke zur Körnerstraße im Ortsteil Steglitz des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Areal am besten mit der Buslinie 170 zu erreichen (Haltestelle Robert-Lück-Straße). Von der Haltestelle ist es ein etwa fünfminütiger Fußweg bis zum dem Grundstück entlang der Bergstraße.

Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des Stadtbades Steglitz:

Ausgangslage: Um die Jahrhundertwende entdeckt Berlin die Hygiene

"Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad", lautete das Credo und Lebensziel des Berliner Arztes Oskar Lassar (1849 –1907). Auf der Berliner Hygieneausstellung am Lehrter Bahnhof stellte er 1883 dem staunenden Publikum sein Volksbrausebad vor: zehn Duschen für Frauen und Männer in einem bescheidenen Wellblechgebäude. Von dem Ziel des erschwinglichen, wöchentlichen Bads für jedermann waren die meisten deutschen Großstädte zur Jahrhundertwende noch weit entfernt.

Doch seine Forderungen verhallten nicht ungehört. In den Jahren um 1900 setzte in Berlin ein regelrechter Bauboom für Duschbäder ein und ein öffentliches Bad nach dem anderen eröffnete. Nach der Volksbadeanstalt Moabit, den Stadtbädern Charlottenburg und Oderberger Straße sowie dem Volksbad Dennewitzstraße eröffneten 1908 auch das Stadtbad Wedding und das Stadtbad Steglitz.

Stadtbad Steglitz: Planung und Eröffnung in der Kaiserzeit

Seit 2002 gibt es kein Wasser mehr im Becken des Jugendstil-Bades in Steglitz.
Seit 2002 gibt es kein Wasser mehr im Becken des Jugendstil-Bades in Steglitz. © Marion Hunger | Marion Hunger

Das Bad, das auf einem Entwurf der Architekten Richard Blunk (1873–1948) und Ferdinand Münzenberger (1846–1924) beruhte, war ein echtes Prunkstück und bot den Badegästen allen Komfort auf der Höhe der Zeit. 1904 hatte die preußische Landgemeinde vom Papierfabrikanten Max Krause das Gelände an der Bergstraße erworben und mit dem Gemeindevorsteher Buhrow und der Bäderkommission die Arbeiten an der Badeanstalt vorangetrieben.

Das Grundstück des späteren Bades beherbergte eine Gärtnerei und grenzte östlich an die Berliner Vorort Elektrizitätswerke und nördlich an den Güterbahnhof. Beides war nützlich, konnte man so gemeinsam die Kohleanlieferung und das warme Abwasser des Energieversorgers für die Vorwärmung des Badewassers nutzen.

1906 kamen die ersten Besucher im römisch-russischen Dampfbad ins Schwitzen. Zwei Jahre später konnte dann auch der Schwimm- und Badebereich in Betrieb genommen werden. "Preußens modernste und größte Heil-und Bäderabteilung", so die Eigenwerbung, öffnete am 8. Juli 1908 ihre Pforten für die Badegäste. Ein voller Erfolg: In den nächsten Jahren bildeten sich vor der Einrichtung lange Schlangen. Die Einrichtung war für bis zu 200 Badegäste ausgelegt.

Stadtbad Steglitz: So war das Bad aufgebaut

Das Jugendstilschwimmbad verfügte neben einem zentralen Schwimmbecken, dem Dampfbad sowie der großzügig ausgelegten Wannen- und Brauseabteilung auch über einen exzellenten Wellnessbereich mit elektrischen Lichtbädern, Massagebänken und Therapiekabinen sowie einer Sauna mit eindrucksvollem Wandmosaik.

Wäscherei und Maschinenhaus sowie zahlreiche Nebenräume befanden sich im hinteren Teil des Gebäudes, das in Stil und Form an eine Kombination aus Kirchenbau und römischer Therme mit Tonnengewölbe, Säulengängen, Emporen, kuppelförmiger Apsis und sphärischen Bauformen erinnerte. Über der kupfergedeckten Halbkuppel am Haupteingang empfing ein badender Berliner Bär die Badegäste.

Stadtbad Steglitz: Das waren die Highlights der Anlage

Detailverliebt: Wandmosaike und kunstvoll verzierte Säulen schmücken das Bad
Detailverliebt: Wandmosaike und kunstvoll verzierte Säulen schmücken das Bad © picture alliance/dpa | Kay Nietfeld | picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Das Schwimmbassin hatte eine bemerkenswerte Größe von 21 mal 9 Metern und befand sich unter einer riesigen Kuppel. Die Überläufe des Beckens waren in Marmor gefasst – ebenso wie die breite marmorne Treppe, über die man in das Becken gelangte. Wassertiere schmückten die kunstvoll geschmiedeten Geländer an den Emporen. Es gab sogar ein Sprungbrett, von dem man in das 2,80 Meter tiefe Wasserbecken springen konnte.

Ein besonderes Erlebnis vermittelte das russisch-römische Bad. Sein Tauchbeckenraum mit römischen Rundbögen, Wandmosaiken und kunstvoll verzierten Säulen ist das versteckte Herz- und Schmuckstück der Anlage. Ursprünglich war noch ein zweites Schwimmbassin für Frauen vorgesehen, welches jedoch aus Kostengründen nicht verwirklicht wurde. 1913 bekam das Stadtbad dafür eine Heilbäderabteilung für Frauen. Außerdem gab zwei große Spiegelsäle, die zuletzt als Sportstudio beziehungsweise Tanz- und Balletträume genutzt wurden.

Stadtbad Steglitz: Das Bad wird im Krieg zum Lebensmitteldepot

Fische zieren das Geländer des historischen Stadtbads Steglitz.
Fische zieren das Geländer des historischen Stadtbads Steglitz. © picture alliance/dpa | Kay Nietfeld | picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

In der Hungersnot während des Ersten Weltkrieges wurde das Stadtbad 1916 geschlossen und zur Unterbringung von Lebensmitteln als Depot genutzt. Mit der Eingliederung von Steglitz in das Stadtgebiet von Berlin 1920 wurde die zuvor beabsichtigte Erweiterung des Stadtbades fallengelassen. 1919 war der Betrieb in der Heil-und Wannenabteilung wiederaufgenommen worden, ein Jahr später öffnete auch das Hallenbad erneut.

Ende der 1920er-Jahre wurde das bis dahin freistehende Hallenbad durch einen Bauriegel an der Bergstraße im vorderen Teil des Grundstücks ergänzt. Das viergeschossige Vorderhaus wurde zwischen 1928 und 1931 errichtet und beheimatete einen Friseur, die Bäderverwaltung und in den oberen Etagen Wohnungen für das Personal. Während des Zweiten Weltkriegs blieb die Schwimmhalle noch bis zum Winter 1940 geöffnet, dann musste das Stadtbad Steglitz aufgrund von Kohlemangel geschlossen werden.

Stadtbad Steglitz: Schwierige Instandsetzung des beliebten Bades

"Zur Brause" ist an einer Wand im historischen Stadtbad Steglitz zu lesen. © picture alliance/dpa | Kay Nietfeld | picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Krieg und Vandalismus hinterließen an der geschlossenen Badeeinrichtung ihre Spuren. In den Nachkriegsjahren wurden die gröbsten Mängel behoben. Bei der Wiedereröffnung 1949 waren zwar längst nicht alle Schäden an dem Stadtbad behoben, aber der Bedarf zu groß, um die Einrichtung weiterhin geschlossen zu halten.

Durch die Berlin-Blockade und die starke Besucherfrequenz – der Einzugsbereich des Bades ging weit über die Bezirksgrenze hinaus – hatte sich die systematische Wiederherstellung des Stadtbades verschleppt. Erst in den 1970er-Jahren erfolgte eine Generalinstandsetzung und 1988 schließlich die Sanierung des Hallengewölbes über dem Schwimmbecken.

Stadtbad Steglitz: Der Bäderkomplex wird zum Lost Place

Das Stadtbad Steglitz verfällt. Die Wände sind mit Graffiti besprüht, das Gelände ist mit einem Zaun abgesperrt.
Das Stadtbad Steglitz verfällt. Die Wände sind mit Graffiti besprüht, das Gelände ist mit einem Zaun abgesperrt. © Katrin Lange | Katrin Lange

Nach fast einhundert Jahren Bäderbetrieb gingen 2002 an der Bergstraße die Lichter aus. Die letzten Badegäste verließen die Einrichtung, das Wasser wurde aus dem großen Bassin abgelassen und der Maschinenraum und Heizungskeller abgesperrt. Unterhalt und Betrieb der kommunalen Einrichtung waren für das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf nicht mehr kostendeckend möglich gewesen und so wurde aus dem einstigen Vorzeigeprojekt der preußischen Landgemeinde Steglitz ein Lost Place im Süden Berlins.

In den Folgejahren gab es immer wieder ernsthafte Versuche, den Bäderbetrieb zu revitalisieren, sie scheiterten aber an der Finanzierung. 2004 war die Immobilie von der Investorin Gabriele Berger übernommen worden – verbunden mit der Auflage, es zu sanieren und binnen zehn Jahren wiederzueröffnen. In dieser Zeit wurde das Café Freistil eröffnet, Lesungen, Theateraufführungen und Opernevents fanden in dem entleerten Hallenbad statt.

Doch zehn Jahre und viele Zwischennutzungen später war immer noch kein Wasser im Bad. 2014 fiel der letzte Vorhang für das Clubtheater Berlin, das die Halle, Umkleiden und Sauna als Spielstätte genutzt hatte und die Immobilie zwei Jahre später zurück an die Stadt Berlin, die den Kaufvertrag rückabwickelte.

Stadtbad Steglitz: Verlassen und verfallen, aber nicht vergessen

Das Stadtbad wurde als Theater genutzt.
Das Stadtbad wurde als Theater genutzt. © Amin Akhtar | Amin Akhtar

Die vielen Jahre des Leerstandes haben ihre Spuren an dem Stadtbad hinterlassen. Der längliche Innenhof ist verwildert und durch Büsche und Gestrüpp zugewachsen. Am Mauerwerk ranken sich Pflanzen empor. Die Backsteinmauern sind großflächig mit Graffiti besprüht, einzelne Fensterscheiben eingeschlagen und zerborsten. Auch im Inneren sieht man dem Gebäude die Spuren von Verfall und Vandalismus an.

Vielerorts blättert der Putz von den Wänden, Fliesen wurden zerschlagen. In der Badehalle wurden die Umkleidekabinen rechts und links des Beckens wegen eines geplanten Umbaus der damaligen Eigentümerin herausgerissen. Die Säulen des Schwimmbades machen seitdem einen unsicheren Eindruck, zum Teil wurden die Stahlträger freigelegt und beginnen zu verrosten. Auch an den blauen Fliesen des Wasserbassins habe sich inzwischen Graffiti-Künstler verewigt.

Stadtbad Steglitz: Kulisse als Stadtbad Wedding in Babylon Berlin

Die Serie Babylon Berlin inszeniert Berliner Schauplätze der 1920er-Jahre. Für die Zweite Staffel wurde im Stadtbad Steglitz gedreht.
Die Serie Babylon Berlin inszeniert Berliner Schauplätze der 1920er-Jahre. Für die Zweite Staffel wurde im Stadtbad Steglitz gedreht. © ARD Degeto/X-Filme/Beta Film/Sky | ARD Degeto/X-Filme/Beta Film/Sky

Dennoch bietet der Lost Place ungebrochen eine einzigartige Atmosphäre und hat von der Wirkung seiner opulenten Ausstattung kaum etwas verloren. Teilbereiche des Stadtbades wie die Wannenbadabteilung, das Dampfbad und die Sauna mit ihrem reichen Interieur wirken so, als hätten die letzten Badegäste den Ort gerade erst verlassen.

Seit 2016 wird das Stadtbad von der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) verwaltet und wurde seitdem gelegentlich für Filmaufnahmen oder Fotoshootings genutzt. In der Serie "Babylon Berlin" (Episode 1, Staffel 2) diente es als Drehort für eine Szene, die im 2016 abgerissenen Volksbad Wedding der 1920er-Jahre spielt, bei der Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) und Greta Overbeck (Leonie Benesch) ein Bad nahmen.

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Stadtbad Steglitz: Pläne für eine Wiederaufnahme des Schwimmbetriebs

Seit mehr als 20 Jahren kein Wasser im Becken. Das soll sich jetzt ändern.
Seit mehr als 20 Jahren kein Wasser im Becken. Das soll sich jetzt ändern. © picture alliance/dpa | Kay Nietfeld | picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Das Stadtbad Steglitz an der Bergstraße soll nach 20 Jahren Leerstand und Verfall wieder saniert und in Betrieb genommen werden. 2020 wurde dazu ein Interessenbekundungsverfahren gestartet. Mit einem Konzeptverfahren sollten anschließend die Nutzungskonzepte der Interessenten geprüft werden.

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Das Bad wird nicht verkauft, sondern im Erbbaurecht vergeben. Da es sich um eine landeseigene Immobilie handelt, wird auch der Bezirk über die künftige Nutzung mitentscheiden. Eine Bedingung ist die Wiederaufnahme des öffentlichen Schwimmbetriebes. Der künftige Betreiber soll mindestens Baby- und Kinderschwimmkurse anbieten. Wann das Verfahren abgeschlossen ist und wieder Leben in das alte Stadtbad einkehrt, ist derzeit ungewiss.

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