Berlin. Am 7. Mai stellt Xaver Böhm noch einmal sein Regiedebüt „O Beautiful Night“ im Zoo palast vor. Und erzählt von den Dreharbeiten.

Der Tod ist auch nicht mehr das, was er mal war. Abgerockt sieht er aus, in seinem abgetragenem Mantel, mit seinen Tattoos und dem fettigen Haar, eine Kippe nach der anderen rauchend. So drängt er sich dem jungen Mann auf.

Der ist eigentlich nur in die Bar gegangen, um einen Schnaps zu trinken. Weil er mit Herzrasen aus einem Traum erwacht ist, in dem ihm ein Rabe das Herz aus der Brust gepickt hat. Und er nach Symptomen von Herzinfarkten im Netz gegoogelt hat. Und seine stete Todesangst nun bestätigt sieht. Heute wird er sterben.

Lauter öde Orte. Weitab vom Glanz der Großstadt

Also noch mal raus, ins Leben. Aber der erste, der ihm begegnet, stellt sich dann als der Tod vor. Und Abhauen hilft nicht. Der junge Mann läuft einmal weg. Und rennt ihm doch nur wieder vor die Füße. Also hilft nur eins: Lass dich drauf ein. Und geh mit dem Tod einen trinken.

Das ist die Grundgeschichte des Films „O Beautiful Night“: Eine fantastische Reise durch eine einzige, endlose Nacht. In der der junge Mann noch mal was erleben soll. Und da gäbe es ja genug Möglichkeiten in Berlin. Aber auch da überrascht der Film. Denn er führt an lauter öde Orte. Weitab vom Glanz der Großstadt.

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Und doch tut sich dabei eine Fantasie und Magie auf, wie man sie selten erlebt hat im deutschen Kino der letzten Jahre. Deshalb wird das Regiedebüt von Xaver Böhm, das 2019 auf der Berlinale Premiere hatte, nun noch einmal gezeigt in der Filmreihe „Hauptrolle Berlin“, in der die Berliner Morgenpost gemeinsam mit dem Zoo Palast an jedem ersten Dienstag im Monat einen Berlin-Film zeigt.

Immer wieder stellt sich in dieser Reihe die Frage: Wieviel Stadt muss eine Produktion zeigen, um ein Berlin-Film zu sein? Die Filme, die gleich mit einem Panoramablick auf die Stadt und ihren Fernsehturm beginnen, sind es meist nicht. Der Reiz besteht gerade Blick auf das vermeintlich Abseitige. Und so ist „O Beautiful Night“ wohl einer der ungewöhnlichsten Filme, der je in der dieser Filmreihe zu sehen war. Weil er mit Auslassungen und Leerstellen arbeitet.

Lauter Wow-Effekte durch neon-bunte Bildgestaltung

Der Tod, der hier, gespielt von Marko Mandić, nach dem jungen unschuldigen Leben greift, spricht mit russischem Akzent. Das hat heute, nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine, natürlich noch eine ganz andere Konnotation. 2019 sah man das eher als Referenz auf Bulgakows Roman „Der Meister und Margarita“.

Wie Mephisto mit seinem Faust, schließt auch der Tod mit Juri (Noah Saavedra) einen Pakt. Wobei er keinen Mantel ausbreitet, um ihn an fremde Ort zu bringen, sondern, auch das wird ironisch gebrochen, nur ein Fahrrad geklaut wird, auf dem sie, zu zweit, durch die Dunkelheit schlenkern. Oder später mit einem geklauten Auto. Nur wenige andere verlorene Gestalten begegnen ihnen dabei auf dieser makabren Reise. So leer hat man die Stadt noch nie erlebt.

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Der Tod geht dem jungen Juri ans Herz.
Der Tod geht dem jungen Juri ans Herz. © Komplizen Film | Komplizen Film

Und an was für tristen Orten landen sie da! In einem Kart-Park, in dem sie Russisches Roulette (!) spielen. Nur um Geld zu gewinnen, um in ein Bordell zu gehen. Doch just da begegnet dem Todgeweihten die junge Nina (Vanessa Loibl), in die er sich sofort verliebt. Und für die er die Zeit anhalten will. Aber kann man den Tod austricksen, kann man ihm von seinem traurigen Tun abbringen? Ein Danse Macabre von Eros, Vergänglichkeit und ewigem Leben.

Xaver Böhm hat zunächst Kurzfilme gedreht, die allesamt Animationen waren. „O Beautiful Night“ war ein doppeltes Debüt: der erste Langfilm. Und der erste Realfilm. Denn der heute 39-Jährige sehnte sich danach, mit Menschen zusammen zu arbeiten, „um nicht“, wie er selbst erklärte, „am Zeichentisch zu vereinsamen“.

Selbst eine S-Bahn wirkt hier wie ein Spezialeffekt

Der Film sollte ganz persönlich werden. Böhm litt selbst lange unter Todesängsten und Panikattacken. Der Juri, den er sich ausdachte, ist also ein Alter Ego. Doch wie in seinen Animationsfilmen hat er auch im Realfilm mit einem ausgeklügelten Bildkonzept gearbeitet.

Die „Beautiful Night“ wird konsequent in knallige Neonfarben getaucht, die den Film leuchten lassen, immer wieder, mal lila, mal grün, mal blau, unterschiedlichste Stimmungen vorgeben und die Stadt verfremden. Selbst eine S-Bahn, die im Hintergrund vorbeirattert, wirkt da wie ein Spezialeffekt.

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So geht das mit dem Russisch Roulette: Regisseur Xaver Böhm (r.) beim Dreh mit seinen Hauptdarstellern.
So geht das mit dem Russisch Roulette: Regisseur Xaver Böhm (r.) beim Dreh mit seinen Hauptdarstellern. © NFP | NFP

Das alles wird kontrastiert mit bukolischen Stillleben-Gemälden aus dem 17. Jahrhundert, die von jeher die Vergänglichkeit des Seins versinnbildlichen. Und hier wie Kapitelüberschriften die einzelnen Vanitas-Stationen verbinden. Und neben dem Kolkraben, der von jeher als großer schwarzer Vogel den Todesboten gibt, kommt noch ein anderer schräger Vogel hinzu, einen Kronenkranich, der die Reinkarnation eines Verstorbenen sein soll, aus dem Berliner Zoo gestohlen wird. Und das ohnehin seltsame Trio im Auto zu einem noch merkwürdigeren Quartett erweitert.

Den Film gibt es eigentlich gar nicht mehr zu sehen

Xaver Böhm vermisst die Magie im Leben. Und hat sie mit diesem Film zurückgezaubert. Als knallbuntes Märchen. Gleichzeitig hat er aber auch eine Schwarzweißfassung des Films erstellt. Eigentlich absurd, sich erst so viel Mühe mit der Farbgestaltung zu geben, um sie dann komplett wieder rauszunehmen. Aber das wirkt ganz anders und hebt die Nähe zum Film Noir hervor. Zum Kinostart im Juni liefen sogar beide Versionen im Kino, was einen reizvollen Vergleich bietet.

Tragisch nur, dass der Filmverleih NFP nur wenige Wochen später pleite ging. Der Film verschwand in der Konkursmasse, die Berliner Produktionsfirma Komplizen von Maren Ade („Toni Erdmann“) musste die Rechte zurückkaufen. Eine DVD, die womöglich beide Fassungen vereint hätte, wurde gar nicht erst erstellt. Seinen Film, so klagt der Regisseur, gibt es eigentlich gar nicht. Umso wichtiger ist es, ihn nun noch einmal erleben zu können. Auf der großen Leinwand. Und hier in der neonfarbenen Version.

Zoo Palast, 7. Mai, 20 Uhr in Anwesenheit des Regisseurs Xaver Böhm und der Geschäftsführerin des Medienboard Berlin-Brandenburg, Kirsten Niehuus. Karten können Sie hier reservieren.