Xaver Böhm schickt den Kinozuschauer auf eine faustische Reise durch die Nacht. Mit keinem Geringeren als dem Tod als Begleiter.

Der Tod ist ein slowenischer Filou, das Sterben Russisches Roulette, die Auferstehung ein exotischer Kronenkranich: Mit solch skurrilen Einfällen glänzt Xaver Böhms Regiedebüt „O Beautiful Night“, einer der schönsten wie schrägsten Berlin-Filme der letzten Zeit.

Trotz seiner jungen Jahre träumt Juri (Noah Saavedra) darin ständig vom Tod. Er hat Schmerzen in der Brust und Panikattacken. Als dann eines Nachts ein schwarzer Rabe, Todessymbol schlechthin, in seine Wohnung flattert, nimmt Juri kopflos Reißaus. Und begegnet einem geheimnisvollen Fremden mit starkem Akzent, der ihm sardonisch grinsend an die schmerzende Brust tippt, sich als Tod ausgibt und behauptet, er habe auf ihn gewartet.

Erste Bilder: der Trailer zum Film

Selten ist Berlin im Film in solch strahlenden Farben zu sehen wie hier.
Selten ist Berlin im Film in solch strahlenden Farben zu sehen wie hier. © NFP

Bevor es ans Sterben geht, will Juri aber noch mal etwas erleben. Und so zieht er mit diesem etwas abgehalfterten Sensenmann durch die Nacht. Aber nicht durch ein Berlin voller Partys und ausgelassener Menschen, sondern durch einsamste Ecken und traurigste Spelunken.

Der Sensenmann schnuppert Koks

Wobei der Tod Koks von einer kleinen silbernen Sense schnuppert, die er um den Hals trägt, und Juri auf die schöne Peepshow-Tänzerin Nina (Vanessa Loibl) trifft, in die er sich mit der Verzweiflung der letzten Stunden verliebt. So ziehen sie ziellos durch die Stadt: drei melancholische Träumer und verlorene Seelen. Als Zuschauer zieht man mit und stellt sich die bange Frage: Kann die Liebe den Tod doch überwinden?

Natürlich muss man dabei an den ur-deutschen Stoff von Faust und Mephisto denken. Man darf auch an Fritz Langs Stummfilmklassiker „Der müde Tod“ denken. Denn Xaver Böhms Film sprüht, ja birst geradezu vor Ideen und Anspielungen. Dabei ist sein Berlin der letzten Nacht ein Konglomerat der ödesten Orte – es dürfte gar nicht so leicht gewesen sein, dafür Locations zu finden. Die aber bannt Böhm souverän in eine stilsichere Atmosphäre voller leuchtender Neonfarben. Garniert das mit alten, verfremdeten Memento-Mori-Gemälden und einem sehr eigenwilligen Soundtrack. Ein stimmungsvoller Neo-Noir und ein magisches Märchen zugleich.

Mit der Peepshow-Tänzerin Nina (Vanessa Loibl) fahren die beiden durch die Stadt
Mit der Peepshow-Tänzerin Nina (Vanessa Loibl) fahren die beiden durch die Stadt © NFP

Xaver Böhm wollte zwar immer zum Film, traute sich aber nicht auf die Filmhochschule und studierte stattdessen Design. Wobei er, wie er bald herausfand, auch mit Stift und Papier Filme machen konnte. Böhm, auch als Zeichner bekannt unter dem Namen Xaver Xylophon, hat mitreißende, fantasievolle Animationskurzfilme entworfen. Und mit „Roadtrip“ einen Realkurzfilm gedreht, der wie eine Vorstudie zu „O Beautiful Night“ wirkt.

Kraftvoller Trip abseits aller Konventionen

In seinem Spielfilmdebüt hat Böhm sinnig auf Newcomer gesetzt, die auch noch nicht so bekannt sind: auf den Wiener Noah Saavedra (bekannt aus „Egon Schiele – Tod und Mädchen“) und den slowenischen Theaterschauspieler Marko Mandic. Maren Ades Produktionsfirma Komplizenfilm war wagemutig genug, dem Regienovizen ein üppiges Budget in die Hand zu geben. Und kann nun erneut einen höchst eigenwilligen, kraftvollen Filmtrip ganz abseits der gängigen Konventionen vorweisen. „O Beautiful Night“ hatte seine Premiere auf der Berlinale. Zum Kinostart gibt es ihn jetzt gleich in zwei Versionen zu sehen: in besagten sattbunten Neonfarben oder in kontraststarkem Schwarzweiß. Der Zuschauer hat die Qual der Wahl – einen Tod muss man sterben.

Fantasy-Drama D 2019 86 min., von Xaver Böhm, mit Noah Saavedra, Marko Mandić, Vanessa Loibl