Berlin. Jahrelang war das Frauengefängnis Lichterfelde ein Lost Place. Heute kann man die Zellen buchen. Die wichtigsten Infos.

Dicke Mauern, vergitterte Fenster und mächtige Riegel an den Eisentüren: Im Berliner Ortsteil Lichterfelde im Bezirk Steglitz-Zehlendorf – zwischen hochherrschaftlichen Villen und üppig blühenden Gärten – befindet sich etwas versteckt ein ehemaliges Frauengefängnis aus der Kaiserzeit. Für mehr als einhundert Jahre war es die vorläufige Endstation für die hier Inhaftierten. Sie saßen für Schwarzfahren, Betrug oder Prostitution in den bedrückend kleinen Zellen der Justizvollzugsanstalt. Bis 2010: Da wurden die letzten Insassinnen verlegt oder entlassen und das einstige Gefängnis fiel in einen jahrelangen Dornröschenschlaf. Die wichtigsten Infos zu dem ehemaligen Lost Place.

Das sind die Fakten zum ehemaligen Frauengefängnis Lichterfelde im Überblick:

  • Adresse: Söhtstraße 7, 12203 Berlin-Lichterfelde
  • Geschichte: zwischen 1902 und 1906 zeitgleich mit dem Amtsgericht nach Plänen der Architekten Rudolf Mönnich, Walter Sarkur und Paul Thoemer erbaut; bis 2010 als Haftanstalt genutzt; danach Leerstand
  • Führungen: Kostenfreie Touren durch das ehemalige Gefängnis werden unregelmäßig als Events angeboten. Zuletzt konnten Besucher einen Blick hinter die Gefängnistüren der Haftanstalt anlässlich des Pride Month und zum Tag des offenen Denkmals 2023 werfen. Außerdem können Touren auch über den Inhaber gebucht werden. Infos gibt es auf der Veranstalterseite theknast.de
  • Denkmalschutz: Objekt-Nr. 09066073
  • Status: ehemaliger Lost Place. Seit 2016 wird das Gebäude zu einer Veranstaltungs- und Kulturstätte mit Ateliers, Gastronomie und Hotel umgebaut

Wo liegt das ehemalige Frauengefängnis Lichterfelde genau?

Das ehemalige Frauengefängnis Lichterfelde befindet sich direkt neben dem Amtgericht an der Adresse Söhtstraße 7 im Ortsteil Lichterfeld des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Gebäude am besten mit den Buslinien 285 und M85 zu erreichen (Haltestelle Bäkestraße). Von der Bushaltestelle aus ist es ein etwa siebenminütiger Fußweg entlang der Ring- und der Söhtstraße. Alternativ kann auch der Bus M11 (Haltestelle Holbeinstraße) genutzt werden: Von der Holbeinstraße biegt man von der Drake- in die Dürerstraße und von dort aus in die Ringstraße ein, um zum ehemaligen Gefängnis zu gelangen.

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Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des ehemaligen Frauengefängnis Lichterfelde:

Ausgangslage: Ein Amtsgericht mit Haftanstalt für die Villenkolonie Lichterfelde

"Gruss aus Gross-Lichterfelde", Postkarte um 1898. 1920 wurde die Villenkolonie in das Stadtgebiet von Berlin eingemeindet. © picture-alliance / akg-images | akg-images | picture-alliance / akg-images | akg-images

Mit Inkrafttreten des Reichsjustizgesetzes 1879 wurden in den späteren Berliner Bezirken Amtsgerichte mit angeschlossenen Haftanstalten eingerichtet, die der Unterbringung verurteilter Straftäter dienten. Bereits in den 1860er-Jahren waren in Berlin die ersten nach Geschlechtern getrennten Gefängnisse eröffnet worden. Eines der berühmtesten: das Frauengefängnis in der Barnimstraße in Friedrichshain, das bis in die 1970er-Jahre genutzt wurde.

Doch anders als es der Name vermuten lässt, war das spätere Frauengefängnis Lichterfelde anfangs als Haftanstalt für Männer und Frauen errichtet worden. In die Villenkolonie Lichterfelde – damals noch vor den Toren der Stadt gelegen – investierte seit Mitte des 19. Jahrhunderts der Hamburger Bauunternehmer Johann Anton Wilhelm von Carstenn (1822–1896). Seine Vision: aus der eigenständigen Landgemeinde ein attraktives Wohnviertel für begüterte Berliner werden zu lassen. Der Plan ging auf. Immer mehr Villen wurden in dem Randbezirk hochgezogen, die Bahnhöfe Lichterfelde Ost (1868) und West (1872) entstanden, und mit dem Bevölkerungsschub wurden weitere administrative Gebäude notwendig – wie das zwischen 1902 und 1906 errichtete Amtsgericht Lichterfelde mit angeschlossener Haftanstalt.

Ehemaliges Frauengefängnis Lichterfelde: Errichtung der Anlage in der Kaiserzeit

1902 legte das beauftragte Architektenteam Rudolf Mönnich (1854–1922), Paul Thoemer (1851–1918) und Walter Sarkur den Gemeindevertretern und preußischen Ministerialbeamten die mit Pinsel und Aquarell fein aufbereiteten Entwurfszeichnungen vor. Mönnich und Thoemer waren keine unbeschriebenen Blätter. Die preußischen Bauräte hatten bereits zuvor eine Reihe von Arrestanstalten für die Justizverwaltung realisiert, und so konnten noch im selben Jahr die Bauarbeiten für das Gericht und das Gefängnis beginnen.

Das ehemalige Frauengefängnis in Berlin-Lichterfelde.
Das ehemalige Frauengefängnis in Berlin-Lichterfelde. © picture alliance/dpa/XAMAX

Die Pläne sahen einen mehrflügeligen Gebäudekomplex auf insgesamt 7000 Quadratmeter Grundfläche vor. Das Gefängnis in der Söhtstraße entstand bis 1906 zeitgleich mit dem Amtsgericht, mit dem es über einen Gang verbunden war, der direkt in den Verhandlungsaal führte. Mit Rücksicht auf die umgebenden Villenbesitzer beschränkte man sich auf eine dreistöckige Anlage. Von außen passt sich das Ensemble mit seiner aristokratischen Renaissancearchitektur perfekt in das noble Wohnviertel ein.

Ehemaliges Frauengefängnis Lichterfelde: So war die Haftanstalt aufgebaut

Die Anlage war im Stil der Neorenaissance mit Anleihen an die Architektur mittelalterlicher Burgen errichtet worden. Hinter einem repräsentativen Wohngebäude, in dem sich die Räumlichkeiten der Aufseher und im zweiten Stock ein gemeinsamer Betsaal für Protestanten und Katholiken befand, erstreckte sich ein L-förmiger Zellentrakt. Im einhüftigen Gebäudeteil hinter dem Wohnhaus waren ursprünglich die Zellen für Frauen untergebracht. Im Westen schloss sich der dreigeschossige Zellentrakt der Männer an. Die Zellen waren hier symmetrisch um eine zentrale Lichthof-Galerie gruppiert. Gemeinschaftsduschen und Toiletten befanden sich auf dem Gang.

Eine Zelle im ehemaligen Frauengefängnis in Berlin Lichterfelde ist jetzt ein Hotel (Foto aus dem Jahr 2018).
Eine Zelle im ehemaligen Frauengefängnis in Berlin Lichterfelde ist jetzt ein Hotel (Foto aus dem Jahr 2018). © picture alliance / rolf kremming

Im Inneren des Zellentraktes war auf der Höhe der ersten Etage ein Fangnetz gespannt. Es sollte vor geworfenen oder fallenden Gegenständen schützen – und Selbstmorde verhindern. Eine dem Gebäudeflügel vorgelagerte Freifläche war für Hofgänge bestimmt. Die Frauen hatten ihren Freigang von den männlichen Häftlingen getrennt in einem Gefängnisteil im Nordosten. An der westlichen Ecke des Wärtergebäudes befand sich ein eckiger Wendelturm, der den Übergang zum Gebäude des Amtsgerichts bildete.

Der gesamte Gefängnistrakt war von einer hohen Mauer umfriedet – mit einem eisernen doppelflügeligen Eingangsportal, das auch die Durchfahrt von Gefangenentransportern ermöglichte und zur Söhtstraße hin gelegen war. Innenliegende Mauern trennten einzelne Hofbereiche voneinander auf. Für die Wärter und das Gefängnispersonal gab es einen separaten Eingang an der Front des Wohnhauses und des Wendelturms. Im Gefängnistrakt gab es außerdem Nutzräume wie die zentrale Gefängnisküche und weitere Räume für die Versorgung und Gebäudetechnik.

Ehemaliges Frauengefängnis Lichterfelde: Umbauten vor dem Ersten Weltkrieg

1912 erfolgten dann noch einmal Umbauten am Amtsgericht. Mit zwei Erweiterungen erhielt das Amtsgericht einen Innenhof und schloss mit dem bereits vorhandenen Treppenturm des Gefängnisses ab. Das Schließen der Lücke versperrte den Blick von außen auf den Gefängnishof und erschwerte mögliche Fluchtversuche. Vermutlich wurde in dieser Zeit auch der Durchgang zwischen Gefängnis und Amtsgericht im zweiten Obergeschoss ergänzt, der Gefangenentransporte Im Innere des Gebäudekomplexes vereinfachte.

Der Häftlingstrakt war zur Aufnahme von bis zu 70 Gefangenen bestimmt. Die Zellen waren fast alle gleich aufgebaut. Acht Quadratmeter Fläche, trostlose Wände und vergitterte Fenster – dazu eine Pritsche und wenige persönliche Gegenstände. In noch kärgeren Arrestzellen wie der doppelt gesicherten sogenannten "Böse-Mädchen-Zelle" (Zelle 26) wurden Gefangene zeitweise als Strafmaßnahme in Isolationshaft verlegt.

Ehemaliges Frauengefängnis Lichterfelde: Jugendarrest und Mutter-Kind-Haus

Im Laufe der Jahre wandelten sich die Zuständigkeiten des Gefängnisses mehrfach: Von der Eröffnung 1906 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 diente das Gefängnis in der Söhtstraße 7 als eine dem Amtsgericht angegliederter Justizvollzugsanstalt (JVA) mit unterschiedlichen Arrestfunktionen – darunter Jugendarrest, gemischtes Gefängnis und Frauenhaftanstalt. Mit dem Ende des Kriegs wurden die Räume eine Zeit lang vom amerikanischen Militärgericht in Beschlag genommen und dann bis Dezember 1953 als Gerichtsgefängnis Lichterfelde weitergeführt, bevor es Anfang 1954 vorerst stillgelegt wurde.

Die noch inhaftierten jugendlichen Häftlinge wurden in die Jugendarrestanstalt Neukölln überführt. In der Söhtstraße wurde in der Folgezeit eine Nebenanstalt des Frauenstrafgefängnisses Tiergarten eingerichtet. 1973 eröffnete der Standort als "JVA Düppel Haus 2" für den offenen Vollzug mit Platz für knapp 70 Häftlinge. Im Rahmen der Resozialisierung waren an der Söhtstraße überwiegend zum Freigang zugelassene Gefangene untergebracht. Mit der Einrichtung eines Mutter-Kind-Hauses sollte die Wiedereingliederung von straffällig gewordenen Frauen verbessert werden.

Ehemaliges Frauengefängnis Lichterfelde: Das waren die prominentesten Häftlinge

Der ehemalige Weltklasseboxer Gustav
Der ehemalige Weltklasseboxer Gustav "Bubi" Scholz und seine Frau Helga an der Hausbar in ihrem Berliner Haus, aufgenommen im Jahr 1972. © picture-alliance / dpa | picture-alliance / dpa

Der wohl bekannteste Freigänger in Lichterfelde war allerdings keine Frau – sondern Box-Europameister Bubi Scholz, nachdem er 1984 seine Ehefrau im Vollrausch erschossen hatte. Jedes Mal, wenn Scholz in seiner Zeit als Freigänger Mitte der 1980er-Jahre das Eingangsportal an der Söhtstraße 7 in Lichterfelde passierte, soll er sich zuvor mit diversen Alkoholika am Imbiss um die Ecke eingedeckt haben. Auch Michael "Bommi" Baumann, Mitbegründer der anarchistischen "Bewegung 2. Juni", saß in Lichterfelde einen Teil seiner fünfjährigen Haftstrafe ab.

In den Jahren davor hatten nur noch rund zwei Dutzend Freigängerinnen nachts die Zellen in Lichterfelde zum Schlafen aufgesucht. 2010 waren es lediglich noch zwei Häftlinge gewesen. Mit ihrer Entlassung ging die Ära der hundertjährigen Haftanstalt mitten in der Villenkolonie Lichterfelde zu Ende – etliche Frauen hatten in den Zellen seit 1906 wegen Schwarzfahren, Betrug und Prostitution ihre Haftstrafen abgesessen. Vor Ort kann man immer noch viel von der beklemmenden Atmosphäre des Strafvollzugs spüren: Ein Großteil des denkmalgeschützten Gemäuers befindet sich noch im originalen Zustand; Vorhängeschlösser und Gitter sind stumme Zeugen des einstigen Gefängnisalltags.

Ehemaliges Frauengefängnis Lichterfelde: Lost Place in den 2010er-Jahren

Ausstellung im ehemaligen Frauengefängnis Lichterfelde
Ausstellung im ehemaligen Frauengefängnis Lichterfelde © Rundfunk Berlin-Brandenburg

Seit 2010 die letzte Insassin auszog, stand das Gebäude leer. In den Gefängnisgängen, dem Wärterhaus, der Küche und dem Wendelturm gingen die Lichter aus und das Gebäude fiel in einen Dornröschenschlaf – nur unterbrochen von gelegentlichen Nachnutzungen als Kunstraum und den vielen Drehteams, die die einmalige Kulisse der JVA für Filmaufnahmen nutzten.

Til Schweiger drehte hier, ebenso wie Moritz Bleibtreu. Auch Hollywoodstar George Clooney konnte sich der eindrucksvollen Stimmung nicht entziehen und nutzte das Frauengefängnis Lichterfelde als Location für seinen Film "Monuments Men" (2014). Die ZDF-Fernsehserie "Im Knast" wurde hier ebenso gedreht wie "4 Blocks" und die "Känguru-Chroniken". Zuletzt war die einstige Haftanstalt prominent in Tom Tykwers Serie "Babylon Berlin" vertreten. Alle Gefängnisszenen entstanden hier, mit Ausnahme der Außenaufnahmen, die vor dem ehemaligen Zellengefängnis Moabit in der Lehrter Straße gedreht wurden.

Aufgrund der Nachnutzung kam es in den Gebäuden in der Zeit des Leerstandes nicht zu Vandalismus und anders als an anderen Berliner Lost Places hielt sich auch der Verfall der historischen Bausubstanz in Grenzen. Kein Wunder, denn die hohen Gefängnismauern waren natürlich nicht nur von innen schwer zu überwinden, sondern hielten nach der Schließung auch unerwünschte Besucher von außen fern.

Ehemaliges Frauengefängnis Lichterfelde: Umbau zur Kunst- und Kulturstätte

Pride-Art-Gründer Lars Deike (r.) und Ken Borg, Mitglied im Verein, im Lichthof des ehemaligen Gefängnisses.
Pride-Art-Gründer Lars Deike (r.) und Ken Borg, Mitglied im Verein, im Lichthof des ehemaligen Gefängnisses. © FUNKE Foto Services | Sergej Glanze

2016 übernahm der Kulturmanager Jochen Hahn die Immobilie in 39-jähriger Erbpacht von der Stadt Berlin und begann mit der Wiederbelebung des Ortes unter dem Namen "Soeht 7" als Kultur- und Begegnungsstätte mit Lesungen und Ausstellungen. Seit 2017 führen Joachim Köhrich und seine Partnerin Janina Atmadi unter dem Namen "The Knast" die Entwicklung des Ortes zu einer Location für Kunst und Kultur fort.

Janina Atmadi betreut die Gewerbekunden und führt das Restaurant „theNOname“.
Janina Atmadi betreut die Gewerbekunden und führt das Restaurant „theNOname“. © Places Prime GmbH

Nach denkmalgerechter Sanierung entsteht an der Söhtstraße ein Gourmet-Restaurant, eine Bar und ein Boutique-Hotel. Der westliche Zellentrakt, der unverändert bleibt, wird auch künftig für Filmproduktionen, Lesungen, Ausstellungen oder verschiedene Food-Konzepte vermietet. Der Stand der Umbauarbeiten kann auf der Internetseite der Betreiber unter theknast.de verfolgt werden. Seit 2022 nutzen Künstler des Vereins Pride Art Zellen im Haupttrakt als Ateliers und Raum für Kunstausstellungen.

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