Berlin. In Lichterfelde steht ein Wohnhaus am Hindenburgdamm 72 seit Jahren leer – und wird zur Gefahr für Passanten. Die wichtigsten Infos.

Schrottimmobilie und Geisterhaus sind noch die netteren Umschreibungen, die Anwohner für das seit Jahrzehnten leerstehende Gebäude an der Ecke Hindenburgdamm zum Gardeschützenweg in Steglitz-Zehlendorf benutzen. Der Beton bröckelt und immer wieder dringt Wasser in die baufällige Immobilie, die notdürftig mit Planen abgesichert wurde. Zuletzt musste der Gehweg am Hindenburgdamm wegen herabfallender Fassadenteile abgesperrt werden. Dabei war das Gebäude einst eine beliebte Wohnadresse im Villenvorort Lichterfelde. Erfahren Sie hier die wichtigsten Infos zu dem Lost Place.

Das sind die Fakten zum Geisterhaus am Hindenburgdamm im Überblick:

  • Adresse: Gardeschützenweg 3, Ecke Hindenburgdamm 72, 12203 Berlin-Lichterfelde
  • Geschichte: Errichtung Anfang des 20. Jahrhunderts; Leerstand seit Mitte der 2000er-Jahre
  • Führungen: Keine. Das Gebäude ist nicht öffentlich zugänglich
  • Status: Aktueller Lost Place. Der Bezirk prüft die Instandsetzung des Hauses mittels einer Ersatzvornahme

Wo liegt das Geisterhaus genau?

Das Haus am Hindenburgdamm Ecke Gardeschützenweg verfällt immer mehr, jetzt sind auch noch die Fenster offen und lassen Nässe und Kälte hinein.
Das Haus am Hindenburgdamm Ecke Gardeschützenweg verfällt immer mehr, jetzt sind auch noch die Fenster offen und lassen Nässe und Kälte hinein. © Katrin Lange | Katrin Lange

Das Haus liegt am Gardeschützenweg 3, Ecke Hindenburgdamm 72 im Ortsteil Lichterfelde des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Areal am besten mit den Buslinien 188, 283, 285, M85 und N88 zu erreichen (Haltestelle Händelplatz). Die Bushaltestelle liegt direkt an der Ecke vom Hindenburgdamm zum Gardeschützweg. Alternativ kann auch der S-Bahnhof Botanischer Garten angefahren werden, von dem es ein etwa neunminütiger Fußweg entlang des Gardeschützenweges bis zu dem verlassenen Haus ist. Auch interessant: Lost Places: Diese Strafen drohen bei Hausfriedensbruch

Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des Geisterhauses am Hindenburgdamm:

Ausgangslage: Eklatanter Leerstand in den Bezirken Berlins

Es gibt sie in fast jedem Bezirk: Berliner Geisterhäuser. Seit Jahren stehen die Immobilien leer und werden von den privaten Eigentümern vernachlässigt. Alle rechtlichen Mittel und Bußgelder bewegen die Hausherren nicht zum Handeln. Die Wohnhäuser werden zu modernen Ruinen inmitten belebter Stadtteile und das in Zeiten, in denen jede Wohnung dringend gebraucht wird.

In Berlin soll es nach Auskunft des Senats etwa 30 sogenannte Problemimmobilien, also Geisterhäuser, geben. Der Mieterverein geht von bis zu 100 verwahrlosten Häusern aus. In allen Fällen lassen die Besitzer ihre leerstehenden Immobilien verfallen und kümmern sich weder um eine Sanierung noch um eine Neuvermietung. Eines der bekanntesten Geisterhäuser ist die Hausruine am Hindenburgdamm.

Geisterhaus am Hindenburgdamm: Prunkvoller Neubau in der Kaiserzeit

Das Wohnhaus wurde Anfang des 20. Jahrhunderts unweit der Gleise der Potsdamer Eisenbahn – der ersten Eisenbahnlinie Preußens – und des Botanischen Gartens in der damals noch eigenständigen Villenkolonie Lichterfelde errichtet. Vor der Baustelle befand sich die erste elektrische Straßenbahn der Welt, die seit 1881 quer durch den Kiez bis zur Preußischen Hauptkadettenanstalt in der Zehlendorfer Straße (heute Finckensteinallee) fuhr.

Seit den 1890er-Jahren wurde die damalige Steglitzer Straße (seit 1935 Gardeschützenweg) zum Händelplatz hin durch Wohnungsneubauten erschlossen. Das Eckhaus an der damaligen Chausseestraße (seit 1914 Hindenburgdamm) wurde 1907 fertiggestellt und bezogen. Erster Eigentümer des Hauses war ein Steglitzer Rentner namens G. Ulrich. Mieter dieser Zeit waren unter anderem ein Bildhauer und ein Gärtner, der das Anwesen verwaltete. Im Erdgeschoss eröffnete eine Zigarrenhandlung.

Geisterhaus am Hindenburgdamm: Beliebte Wohnadresse in der Weimarer Republik

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde Lichterfelde mit dem Groß-Berlin-Gesetz 1920 nach Berlin eingemeindet und war nun Ortsteil von Steglitz. Am Hindenburgdamm gaben sich die Mieter der beliebten Wohnadresse in den Folgejahren die Klinke in die Hand: Ingenieure, pensionierte Bankbeamte, Druckereiarbeiter, ein Gastwirt, ein Schuhmacher, eine Witwe und viele Kaufleute zählten zu den Bewohnern des Eckhauses bis in die 1930er-Jahre.

Für Sicherheit und Sauberkeit sorgte ein Portier, der auf das Kommen und Gehen im Haus achtete. Seit den 1920er-Jahren firmierte auch die Versand-Konditorei „Alberni“ unter der Adresse und versorgte ihre Kundschaft mit Torten und allerlei anderem Naschwerk, die in dem vierstöckigen Eckhaus am Hindenburgdamm hergestellt wurden.

Geisterhaus am Hindenburgdamm: Über mehrere Generationen in Familienbesitz

Auch nach dem Tod des ersten Eigentümers blieb das Wohnhaus in Familienhand. Es ging in den Besitz von Bertha Ulrich über, bei der es sich vermutlich um die Witwe des früheren Besitzers gehandelt hat. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Teilung Berlins wurde Lichterfelde als Ortsteil von Steglitz Teil des amerikanischen Sektors. Für das Haus am Hindenburgdamm wurde in den 1960er-Jahren die Erbengemeinschaft Ulrich als Eigentümer eingesetzt.

Zuletzt gehörte das Grundstück samt Bebauung einer Berliner Augenärztin, die 1997 verstarb. In den Grundbüchern steht immer noch ihr Name. Bis zu ihrem Tod wurde für die Instandhaltung des Wohnhauses gesorgt. Noch 1995 wurde ein großflächiger Dachgeschoßausbau an dem Eckhaus fertiggestellt.

Geisterhaus am Hindenburgdamm: Das Wohnhaus wurde seit den 2000er-Jahren zum Lost Place

Von der einstigen Pracht des Gebäudes am Hindenburgdamm ist nichts mehr geblieben. Nach mehr als 20 Jahren Leerstand wurde die Immobilie zu einer innerstädtischen Ruine.

Mit dem Tod der Eigentümerin Ende der 1990er-Jahre wurde ihr Sohn, ein inzwischen pensionierter Radiologe, zum Besitzer des Hauses. Damit begann die Geschichte der Verwahrlosung und des Verfalls der Immobilie. Sanierungen und dringend erforderliche Instandsetzungen unterblieben. Nach und nach zogen die Mieter aus dem Gebäude aus und die Immobilie wurde bis Mitte der 2000er-Jahre zum Geisterhaus.

Geisterhaus am Hindenburgdamm: Wie ist der Zustand heute?

Fußgänger und Radfahrer müssen vor dem Haus am Hindenburgdamm Ecke Gardeschützenweg die Fahrbahn nutzen
Fußgänger und Radfahrer müssen vor dem Haus am Hindenburgdamm Ecke Gardeschützenweg die Fahrbahn nutzen © Katrin Lange | Katrin Lange

Inzwischen ist dem vierstöckigen Altbau mit elf Wohnungen und mehreren Ladeneinheiten der jahrzehntelange Leerstand überdeutlich anzusehen. Wohin der Blick auch fällt, haben Vandalismus und Zerstörungswut ihre Spuren hinterlassen: Die Fassade wurde mit Graffiti beschmiert und die Bausubstanz hat sichtlich gelitten. Im Inneren wurden Scheiben und Fliesen zerschlagen. Die Wasserleitungen sind marode oder zerstört und die Stromleitungen durch Kupferdiebe aus den Wänden gerissen.

In den Zimmern wurde die zurückgelassene Inneneinrichtung geplündert. Am Boden häuft sich Schutt und Dreck und vermischt sich mit den verrottenden Hinterlassenschaften der letzten Bewohner. Türen sind aus den Angeln gerissen, Wände eingeschlagen und Dachbalken eingestürzt. In einzelnen Zimmern zeigt Ruß an den Wänden, dass es hier offenbar Brände gab.

Durch das notdürftig gesicherte Dach dringt Feuchtigkeit ins Gebäude, von der Fassade blättert der Putz. Einzelne Sicherheitsmaßnahmen sollen wenigsten die gröbsten Missstände im Zaum halten: Die Fensterfronten im Erdgeschoss wurden mit Spanplatten verrammelt, ein hoher Bauzaun soll verhindern, dass Menschen in das Haus eindringen oder von herabfallenden Gebäudeteilen verletzt werden.

Geisterhaus am Hindenburgdamm: Wie sind die Pläne des Bezirks?

Seit gut 20 Jahren steht das Mehrfamilienhaus in Lichterfelde leer. Insgesamt rund 45.000 Euro Bußgeld wurden gegen den Eigentümer verhängt. Doch das hat ihn nicht dazu bewegt, etwas zu unternehmen und das Haus zu sanieren. Um die Hängepartie zu beenden, will der Bezirk nun einen neuen Weg einschlagen und mittels einer Ersatzvornahme eine Mängelbehebung durch Dritte herbeiführen.

Die Ersatzvornahme ist ein Zwangsmittel der Verwaltungsvollstreckung: Werden Handlungen trotz bestehender Verpflichtungen nicht erfüllt, kann die Vollstreckungsbehörde diese selbst vornehmen oder durch Dritte vornehmen lassen und die Kosten an den Eigentümer weiterreichen. Unklar ist noch, wie teuer die Sanierung des Hauses wird und wann mit der Mängelbehebung begonnen werden kann.

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