Berlin. Seit 2013 hat sich der soziale und gesundheitliche Status der Neuköllner Kinder verbessert. Wo es noch immer große Defizite gibt.

Den Neuköllner Kindern geht es insgesamt besser als noch vor fünf Jahren. Das zeigen die Ergebnisse der Einschulungsuntersuchung von 2022, der ersten seit der Corona-Pandemie, die das Bezirksamt am Donnerstag vorlegte. „Bei den 3401 untersuchten Kindern zeigen sich in vielen Bereichen stabile bis leicht verbesserte Ergebnisse im Vergleich zum Jahr 2019“, sagte Gesundheitsstadtrat Hannes Rehfeldt (CDU). Damit steige Neukölln im Bezirksvergleich ins untere Mittelfeld auf. „Dennoch bleibt viel zu tun. Besonders bei der gesunden Ernährung und einem möglichst frühzeitigen Kita-Besuch für gute Sprachkenntnisse ist noch viel Luft nach oben“, so Rehfeld.

Rehfeld zeigte sich vor allem erleichtert, dass sich mögliche pandemiebedingte Nachteile anhand der Einschulungsuntersuchung nicht nachvollziehen ließen. „Unsere Untersuchung zeigt, dass viele der Befürchtungen wie erhöhter Medienkonsum, Sprachdefizite oder emotional-soziale Auffälligkeiten durch Corona erstmal nicht bestätigt werden“, sagte er. Lediglich ein Anstieg beim Anteil der Kinder mit Übergewicht, ein verbessertes Impfverhalten und eine leicht zurückgegangene Kitabesuchsdauer könnten in den Bedingungen der Pandemie begründet liegen.

Gentrifizierung: Soziale Zusammensetzung im Wandel

Die Daten des Bezirksamts zeigen, dass sich die soziale Zusammensetzung im Bezirk bereits seit 2013 deutlich verändert. Gehörten im Jahr 2013 bei der Einschulungsuntersuchung noch 38,6 Prozent der Kinder zu einer niedrigen Sozialstatusgruppe, waren es im Jahr 2022 nur noch 24,2 Prozent. Berlinweit liegt die Zahl bei 14,9 Prozent. Gleichzeitig ist die Zahl der Kinder mit hohem Status stark angestiegen: Im Jahr 2013 waren es lediglich 12,4 Prozent, im Jahr 2022 ganze 31 Prozent.

Überdurchschnittlich hoch ist mit 67,6 Prozent weiterhin der Anteil von Kindern, von denen mindestens ein Elternteil einen Migrationshintergrund hat, berlinweit liegt die Zahl bei 52,3 Prozent. Weitgehend unverändert sind seit Jahren auch die Herkunftsregionen, jeweils zu gleichen Teilen gaben die Familien wie in den Vorjahren eine türkische, arabische und osteuropäische Herkunft an. Der Anteil von Kindern aus westlichen Industriestaaten ist von 2,6 Prozent (2019) auf 6,6 Prozent (2022) angestiegen und liegt damit mittlerweile leicht über dem Berliner Durchschnitt (6,3 Prozent).

Mehr als ein Drittel der Kinder mit Sprachdefizit

Weiter zeigt die Untersuchung, dass in Neuköllner Familien mit Migrationshintergrund sowohl Eltern als auch Kinder überdurchschnittlich gute Sprachkenntnisse haben. 38,9 Prozent dieser Kinder und Eltern haben gute Deutschkenntnisse, während es in Berlin insgesamt lediglich 26,1 Prozent sind. Dennoch haben 37,2 Prozent aller eingeschulten Kinder in Neukölln weiterhin Sprachdefizite, im Jahr 2019 waren es 38,7 Prozent.

Bei 55,1 Prozent der Neuköllner Kinder wurde bei der Einschulungsuntersuchungein Förderbedarf festgestellt. Sie haben unter anderem Defizite in den Bereichen Sprache, Visuomotorik, körperlicher Motorik und emotional-sozialen Kompetenzen. Diese Zahl ist leicht rückläufig, im Jahr 2013 lag sie bei 57,9 und 2015 sogar bei 59,8 Prozent.

Große regionale Unterschiede

Auffällig sind die großen Unterschiede innerhalb des Bezirks in der kindlichen Entwicklung. An der Schillerpromenade und im Reuterkiez liegt der Förderbedarf lediglich bei rund 40 Prozent, in Britz sogar nur bei 35,2 Prozent. In der Köllnischen Heide hingegen ist bei der Untersuchung bei 73,1 Prozent der Kinder ein Förderbedarf festgestellt worden, in der Gropiusstadt bei 69,8 Prozent.

Auch der Sozialstatus unterscheidet sich regional stark. In der Gegend um die Schillerpromenade haben 48,2 Prozent der Kinder einen hohen Sozialstatus, rund um die Reuterstraße sind es sogar 56 Prozent - damit sind diese Neuköllner Ortsteile deutlich über dem Berliner Durchschnitt. In der Köllnischen Heide haben dagegen gerade mal 6,7 Prozent der Kinder einen hohen Sozialstatus, 53 Prozent einen niedrigen. Im Neuköllner Zentrum liegt der niedrige Sozialstatus bei 32,4 Prozent, in der Gropiusstadt bei 28,8 Prozent.

Impfungen über dem Berliner Durchschnitt

In Rudow hatten bei der Einschulungsuntersuchung gerade mal 23,5 Prozent der Kinder ein Sprachdefizit, im Reuterkiez 24,7 Prozent, in Britz 28,4 Prozent und an der Schillerpromenade 32,2 Prozent. Deutlich dramatischer sind die Ergebnisse dafür in der Köllnischen Heide. Hier haben 61 Prozent der Kinder Sprachdefizite, in Britz-Nord sind es 52 Prozent und in der Gropiusstadt 48,9 Prozent.

Durchschnittlich bis leicht positiv im Berlinvergleich schnitten die untersuchten Kinder bei den gesundheitsbezogenen Indikatoren ab. Dazu gehörten etwa Auffälligkeiten in der Körperkoordination, der visuellen Wahrnehmung und der emotinonal-sozialen Entwicklung. Die Grundimmunisierung bei Masern, Tetanus sowie Meningokokken C lag über dem Berliner Durchschnitt. In der Gropiusstadt und in Buckow-Nord - zwei Ortsteilen mit eher niedrigem Sozialstatus -, lag die Masern-Impfquote sogar bei 100 Prozent. Im Reuterkiez, der Gegend mit besonders hohem Sozialstatus, hingegen nur bei 96,2 Prozent.

Trotz aller positiven Tendenzen haben Neuköllner Kinder weiterhin einen erhöhten Aufmerksamkeitsbedarf bei Übergewicht oder dem Rauchverhalten in den Familien. 15,3 Prozent der Neuköllner Kinder waren bei der Einschulungsuntersuchung übergewichtig (Berlin: 11,4 Prozent). „Wir werden die Ergebnisse nutzen, um weiter präventiv zu arbeiten“, sagte Rehfeldt. Besonders im Fokus seien hier Familien, die besondere Risikofaktoren wie den Alleinerziehendenstatus oder Erwerbslosigkeit hätten. „Hier versuchen wir möglichst ab der Geburt zu beraten und zu unterstützen“, sagte Rehfeldt, „das bleibt hoffentlich auch trotz der angespannten Haushaltslage so.“