Berlin. Lange galt alkoholfreies Bier als verpönt. Nun ist in München ein Hype um ein neues alkoholfreies Augustiner ausgebrochen.

Wer mit Althergebrachtem bricht, der geht ein großes Wagnis ein. Besonders, wenn es sich an ein so traditionsbewusstes Publikum richtet, wie die bayerischen Biertrinker. Genau das hat aber die renommierte Augustiner-Brauerei getan – mit überschäumendem Erfolg. Erstmals in der knapp 700-jährigen Geschichte hat das Münchener Brauhaus eine alkoholfreie Fassbrause auf den Markt gebracht – und im Freistaat einen Hype ausgelöst. Den süßen Geschmack des Triumphs trübt aber vorerst ein bitterer Beigeschmack.

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Bierliebhaber außerhalb Münchens gucken nämlich in die Röhre. Keine Spur von dem begehrten Gerstensaft lässt sich in Berlin ausmachen. Weder in Biergärten, noch in Bars oder Spätis hat das neue Trendgetränk Einzug gehalten. Während bayerische Medienhäuser wie „Merkur“ und „Süddeutsche Zeitung“ vom Run auf Getränkehändler und Gastronomen künden, herrscht in der Hauptstadt rund sechs Wochen nach dem Vertriebsstart Ahnungslosigkeit.

Augustiner löst mit alkoholfreiem Bier Hype aus

Dass sich das auf die Schnelle ändert, ist nicht anzunehmen. Lediglich in München und Umland wird das Alkoholfreie ausgeliefert. Und selbst dort wächst der Unmut bei Einzelhändlern, weil sie immer wieder Kunden enttäuscht abweisen müssen. Man arbeite unter Hochdruck, um der Anfrage nachzukommen, heißt es aus dem Traditionsbrauhaus. Allerdings ist bisher nur in Partner-Gaststätten gewährleistet, fündig zu werden.

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Viele Münchener würden diesen Sixpack mit Kusshand nehmen. Allein, verfügbar ist das neue Alkoholfreie nur mit Glück.
Viele Münchener würden diesen Sixpack mit Kusshand nehmen. Allein, verfügbar ist das neue Alkoholfreie nur mit Glück. © Augustiner Brauerei | Augustiner Brauerei

Obwohl man das erste Neuprodukt seit knapp 40 Jahren auf den Markt geworfen hat, bliebt man sich bei Augustiner treu. Weder auf Litfaßsäulen oder Plakaten, noch in den herkömmlichen Medien oder in den sozialen Netzwerken macht die Brauerei Werbung. Mund-zu-Mund-Propaganda bleibt die einzige öffentlichkeitswirksame Kommunikationsstrategie. Und auch auf Presseanfrage hält man sich lieber bedeckt.

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Immer größerer Marktanteil – Alkoholfreie sind kalorien- und zuckerarm

Dennoch hat der Hype den sonst recht eigenbrötlerischen Münchener Biermarkt erfasst. Immer öfter fragen die Gäste in den Braukellern, Gaststätten und Biergärten an der Isar nach dem „Alkoholfrei Hell“, wie das neuste Produkt aus der ältesten Brauerei der Stadt heißt. Kenner beschreiben den Geschmack als mild und süffig. Eine Abkehr vom sonst so dominanten Hopfen. Dafür ziert das goldgelbe Gebräu wie üblich eine Schaumkrone, und auch der Geruch ist dem originalen Augustiner Hell zum Verwechseln ähnlich.

Über zwei Jahre tüftelten die Braumeister still und heimlich an der alkoholfreien Alternative. Das Resultat trifft dem Absatz zufolge genau den Zeitgeist. Denn das leichte Bier überzeugt nicht nur die im Volksmund „Bierdimpfl“ genannten Stammgäste, sondern lockt auch neue Zielgruppen an. Mit einem geringeren Zuckergehalt, knapp 40 Prozent weniger Kalorien und einem Alkoholvolumen von unter 0,5 Prozent spricht das Alkoholfreie, wie jüngste Marktforschungsanalysen belegen, gezielt jüngere Altersgruppen an.

„Der Renner“: Deutsche trinken doppelt soviel wie vor zehn Jahren

„Alkoholfreies Bier ist aktuell der Renner“, bestätigt auch der Hauptgeschäftsführer des Berliner Gaststättenverbandes DEHOGA, Thomas Lengfelder. Der Ruf, der Augustiners Neukreation zumindest in Bayern vorauseilt, ist Lengfelder zwar „noch nicht zu Ohren gekommen, auch wenn das eine ganz spezielle Biermarke ist“. Den Trend zu bewussterem Trinken würde er „aber nicht auf die Millennials reduzieren“. Auch beim Berliner Großhandel Bierlinie, der immer wieder mit ausgefallenen Sorten auffällt, ist die Neuheit noch nicht angekommen. Nach Auskunft des Lagerchefs sei ein erfolgreiches Alkoholfreies 2024 aber keine Überraschung mehr. „Den Trend beobachten wir schon länger.“

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Das alkoholfreie Hell markiert für die deutschen Bierbrauer ein Silberstreifen am Horizont. Denn die Absatzmärkte schrumpfen in Deutschland seit Jahren. Im ersten Halbjahr 2023 verzeichnete die Branche laut Statistischem Bundesamt einen Verkaufsrückgang von 12,2 Prozent innerhalb von nur zehn Jahren. Gleichzeitig nimmt die Nachfrage nach alkoholfreiem Bier stetig zu und wuchs im Jahr 2022 auf einen zwischenzeitlichen Höchststand von 474 Millionen Litern, womit auch das Radler überholt wurde. Damit verdoppelte sich der alkoholfreie Konsum annähernd innerhalb eines Jahrzehnts. Laut Allensbach-Institut gaben 2023 rund 10 Millionen Deutsche an, kürzlich ein alkoholfreies Bier gekauft zu haben. Augustiners Alkoholfreies dürfte den Trend weiter befeuern.