Berlin. Als Schauspieler ist er längst bekannt. Jetzt legt Robert Gwisdek sein Regiedebüt vor. Weshalb es auch viele Jahre still um ihn war.

Er kommt nach seinen Eltern. Wie Corinna Harfouch und Michael Gwisdek wurde auch Robert Gwisdek Schauspieler, in Filmen wie „3 Tage in Quiberon“ oder aktuell in „Sterben“, der letzte Woche im Kino anlief. Parallel hat er eine zweite Karriere als Sänger und Musiker gestartet, unter dem Künstlernamen Käptn Peng. Nach mehreren Musikvideos und Kurzfilmen legt der 40-Jährige jetzt sein Regiedebüt vor. Ein völlig ungewöhnlicher, experimentell-poetischer Schwarzweißfilm, der gänzlich ohne Förderung auskam und dessen Titel allein eine Ansage ist: „Der Junge, dem die Welt gehört“. Wir haben Robert Gwisdek dazu befragt. Und haben ihn, weil er gerade auf einer aufwändigen Kinotour ist (26 Städte in 18 Tagen), am Telefon in Würzburg erreicht.

Herr Gwisdek, Sie haben schon Kurzfilme gemacht, dies ist nun Ihr Langfilmdebüt als Regisseur. Wie lange haben Sie diesen Wunsch schon mit sich herumgetragen?

Robert Gwisdek: Eigentlich schon immer. Ich habe mit Musikvideos angefangen, dann habe ich Kreisfilm gegründet und weitere Kurzfilme
entwickelt. Der Langfilm kam letztlich ganz spontan zustande. Ich habe zwei Wochen geschrieben, und dann mit meiner ganzen Familie mitten im Corona-Lockdown, in Sizilien eine alte Villa gemietet. Das ganze Team hat nachts in der Villa geschlafen und tagsüber gedreht. Wir konnten da Bilder machen, wie man Palermo nie wieder sehen wird, außer für sehr viel Geld: menschenleere Gassen, verlassene Parks, einsame Luftwurzelbäume. Die Stadt war wegen Corona wie ausgestorben.

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Warum kommt der Film dann jetzt erst ins Kino?

Es brauchte zwei Jahre, um das Material in einen richtigen Film zu verwandeln. Auch weil viele aufwändige Musikpassagen dabei sind. Und dazwischen musste ich auch erst mal arbeiten, um Geld für den Film zu verdienen.

Der Film hat einen klaren Stilwillen, eine großartige Bildgestaltung und ist sehr experimentierfreudig. Das ist ja etwas, was dem deutschen Film eher fehlt. Wollten Sie dem gezielt etwas entgegensetzen?

Nein. Ich bin da einfach meinem eigenen Stilempfinden gefolgt. Und habe mich weder von positiven noch von negativen Vorbildern beeinflussen lassen. Aber es stimmt schon, der Film ist in seiner Bildgestaltung sehr präzise, sehr fotografisch. Gleichzeitig haben wir beim Drehen ganz viel spontane inszenatorische Freiheit einfließen lassen, haben Elemente vor Ort genutzt, die nicht im Drehbuch standen, haben die Geschichte umgestellt und die Kräfte zwischen den Figuren neu sortiert. Einer der Hauptfiguren hat einen gänzlich anderen Charakter bekommen. So haben wir den Film beim Drehen noch mal ganz neu erfunden. So zu arbeiten ist schön, diese Art von Freiheit hat man nur selten.

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Der Poet (Julian Vincenzo Faber) und sein fordernder Mentor (Denis Lavant) in „Der Junge, dem die Welt gehört“.
Der Poet (Julian Vincenzo Faber) und sein fordernder Mentor (Denis Lavant) in „Der Junge, dem die Welt gehört“. © Kreisfilm | Kreisfilm

Der Film handelt von einem Poeten, der an sich selbst und einer Schreibblockade verzweifelt. Inwiefern, inwienah ist das autobiographisch? Auch Sie sind als Käptn Peng singend und textend unterwegs.

Eine Schreibblockade in dem Sinne hatte ich nie. Ich verzweifle aber manchmal an meinem eigenen Anspruch, etwas zu suchen, das über das bloße Funkeln hinausgeht. Nur etwas kreieren, das schön ist, das interessiert mich irgendwie zu wenig. Ich suche immer nach etwas, das tiefer greift. In einen Bereich, den ich vielleicht selbst noch nicht kenne. Ich verlange von meiner Kunst, dass sie mich selbst überrascht. Und daran verzweifelt ja auch Basilio, die Hauptfigur des Films. Er schreibt die ganze Zeit, aber er sucht die Poesie, die nicht nur Schönheit abbildet, sondern nach der Wahrheit greift.

Im Abspann werden Sie bei Regie und Schnitt bei Ihrem echten Name genannt, beim Drehbuch unter ihrem Musiker-Künstlernamen Käptn Peng. Wieso diese Aufteilung?

Ich würde sagen, Käptn Peng ist quasi der Freigeist in mir. Und Robert Gwisdek muss dann mit der sehr weltlichen Aufgabe betraut werden,
das umzusetzen. Der muss unter den Beiden der Verantwortungsvolle sein, Käptn Peng darf einfach erfinden.

Wie sind Sie auf den Schweizer Sänger Faber als Hauptdarsteller, quasi Ihrem Alter Ego, gekommen?

Wir standen schon zusammen auf Bühnen, haben aber nie ein Wort gewechselt. Bis ich ihn mal Italienisch sprechen hörte. Er ist Halbitaliener. Und ich dachte, ich habe den jungen Adriano Celentano vor mir. Basilio hat einen ganz spezeillen Charme, einen altmodischen Stil und sehr schöne Augen. Ich wusste sofort, dieser Mensch kann vor der Kamera eine große Tiefe ausstrahlen.

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Die Mutter und die Quasi-Tochter spielen auch mit: Corinna Harfouch (M.) und Chiara Höflich in einer Doppelrolle in „Der Junge, dem die Welt gehört“.
Die Mutter und die Quasi-Tochter spielen auch mit: Corinna Harfouch (M.) und Chiara Höflich in einer Doppelrolle in „Der Junge, dem die Welt gehört“. © Kreisfilm | Kreisfilm

Produziert hat den Film Ihre Frau Marie Höflich. Und die weibliche Hauptrolle spielt Chiara Höflich…

… die ihre Tochter ist. Und in gewisser Weise auch meine, auch wenn ich erst später dazu kam. Eine Patchwork-Angelegenheit. Schon als Chiara noch klein war, habe ich ihr immer angesehen, dass sie viele Persönlichkeits-Anteile hat. Von wahnsinnig kindlich zu unglaublich erwachsen, von kriegerisch-wild zu ganz zart hat sie eine große Ausdrucksdynamik. Das wollte ich nutzen. Und weil der Film so spontan entstand, haben wir uns entschieden, so viele Freunde und Familie wie möglich hineinzubringen.

Wie ja dann auch Ihre Mutter Corinna Harfouch.

Die Figur war eigentlich gedacht als ganz alte Frau, als 90-jährige, kettenrauchende Kreatur, die die ganze Zeit nur in der Ecke sitzt und stickt. Meine Mum hat dann gesagt, sie kommt mit nach Palermo, was sehr praktisch war, weil wir auch kleine Kinder dabei hatten und uns bei der Betreuung abwechseln konnten. Dann haben wir die Rolle geändert und auf sie zugeschnitten. Sie hat eine Wahnsinns-Ausstrahlung in dem Film.

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Robert Gwisdek (2.v.r.) mit seiner Mutter und dem Rest des Teams bei der Berlinale-Premiere von „Sterben“:
Robert Gwisdek (2.v.r.) mit seiner Mutter und dem Rest des Teams bei der Berlinale-Premiere von „Sterben“: © Getty Images | Gerald Matzka

Eine Vaterfigur spukt auch im Film herum. Gespielt wird das von Denis Lavant. Wie sind Sie auf ihn gekommen? Und wie haben Sie ihn für den Film gewinnen können?

Denis Lavant ist für mich eine absolute Legende. Ich habe ihn das erste Mal mit zwölf gesehen, in „Die Liebenden von Point-Neuf“, und
später in „Holy Motors“. Das hat einen riesen Eindruck auf mich gemacht, diese kreatürliche, unschuldige Ausstrahlung, die ich total spannend finde. Ich war einfach frech genug, ihn zu fragen. Obwohl ich kein Wort Französisch und er kein Wort Englisch sprechen kann. Aber ich habe ihm mit einer Übersetzerin, vor allem aber mit Händen und Füßen klargemacht, dass er unbedingt mitspielen muss. Und zu meiner großen Überraschung hat er einfach Ja gesagt. Er kam ans Set und hat sich vollkommen reingeworfen, er hatte weder das Drehbuch gelesen noch hat ihn irgendwas von der Geschichte interessiert. Er wollte nur wissen was sein Charakter macht. Er hat sein Kostüm gar nicht mehr ausgezogen und hat meistens mit einer kleinen Flöte
kommuniziert. Am Set hat ja fast keiner seine Sprache gesprochen. Wer den Film gesehen hat, wird sehen, welche Wucht ihm das verleiht.

Man muss dabei sofort an Ihren Vater denken. Dieser Mentor, das wäre auch eine Rolle für ihn gewesen.

Ja, auf jeden Fall.

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2018 gewann Robert Gwisdek eine Lola als bester Nebendarsteller. Weil er ein Kind bekommen hatte, war er nicht persönlich dabei und wurde zugeschaltet.
2018 gewann Robert Gwisdek eine Lola als bester Nebendarsteller. Weil er ein Kind bekommen hatte, war er nicht persönlich dabei und wurde zugeschaltet. © picture alliance / Gregor Fischer/dpa | Gregor Fischer

Werden Sie nach diesem Debüt nun auch weitere Filme inszenieren?

Der nächste ist sogar schon abgedreht. Der hat noch keinen Titel, befindet sich aber gerade im Schnitt. Wieder alles ohne Filmförderung und in sehr familiärem Rahmen. Christian Friedel spielt darin die zweite Hauptrolle, und auch ich spiele diesmal mit. Das schien mir folgerichtig, denn das wird ein sehr persönlicher Film.

Sie sind jetzt auch im Film „Sterben“ zu sehen. Inwiefern macht man sich da selbst Konkurrenz, wenn nur eine Woche später ein eigener Film kommt? Oder ist das auch eine Zusatzwerbung?

Das sind so Abläufe, die man nicht immer kontrollieren kann, wie man möchte. Ich sehe das aber nicht als Nachteil, nicht für mich und auch nicht für „Sterben“. Das befruchtet sich eher gegenseitig.

Robert Gwisdek als an sich selbst (ver-) zweifelnden Komponist in Matthias Glasners Film „Sterben“.
Robert Gwisdek als an sich selbst (ver-) zweifelnden Komponist in Matthias Glasners Film „Sterben“. © Wild Bunch | Schwarzweiss Film

Sie haben in den letzten Jahren wenig Filme gedreht. Nun sind sie gleich mit zweien zurück. Warum die lange Pause? Lag das auch an Ihren eigenen Regiearbeiten?

Das stimmt. Das letzte Mal stand ich in „3 Tage in Quiberon“ vor der Kamera. Das war 2018. Und dann erst wieder für „Sterben“. Damals habe ich auch den Deutschen Filmpreis bekommen und jetzt, fünf Jahre später, bin ich wieder nominiert. Das ist natürlich schön, wenn man nur alle fünf Jahre in einer Nebenrolle auftaucht und trotzdem so eine Aufmerksamkeit bekommt. Wer auf unsere Website kreisfilm.com schaut, kann ja sehen, was ich so gemacht habe, wenn ich nicht gespielt habe.

Für „Sterben“ sind Sie jetzt wieder für eine Lola nominiert. Wie aufgeregt gehen Sie in diesen Abend?

Ich habe auf jeden Fall kein Problem damit zu verlieren. Ich freue mich aber, all die Kollegen wiederzusehen. Letztes Mal konnte ich nicht dabei sein, weil ich ein Kind bekommen habe. Da musste ich mich per Zoom dazuschalten lassen und bedanken. Insofern bin ich sehr neugierig.