Berlin. Union muss im Kampf um den Klassenerhalt eine deutliche Niederlage hinnehmen, weil sich der Coach im entscheidenden Moment verzockt.

Christopher Trimmel, der Kapitän von Union Berlin, nahm kein Blatt vor den Mund: „Wir haben immer gesagt, dass es in der Bundesliga auch mal Spiele geben wird, in denen du auf die Fresse bekommst.“ Ein solches Spiel sei dieses Debakel gegen Bayern München gewesen. Eine Begründung dafür lieferte Trimmels Teamkollege Kevin Volland: „In der zweiten Halbzeit sind wir auseinandergebrochen.“

Doch dieses 1:5 (0:2) gegen den entthronten deutschen Meister ist mehr als nur die Niederlage gegen ein Spitzenteam der Fußball-Bundesliga. Es bringt das Saisonziel, das die Köpenicker nur noch haben können, massiv in Gefahr. Dass Union nicht auf den Relegationsplatz abrutschte, lag im Spielplan begründet.

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Da der VfL Wolfsburg und der VfL Bochum, die beiden größten Union-Verfolger im Kampf um den Klassenerhalt, gegeneinander gespielt haben (Wolfsburg gewann mit 1:0), war klar: Eines der beiden Teams würde in der Tabelle in jedem Fall hinter Union bleiben. Doch mit den fünf Gegentoren hat sich auch Unions Tordifferenz derart verschlechtert, dass sie nicht mehr als möglicher Hilfspunkt im Abstiegskampf helfen kann.

Union Berlin beginnt mutig gegen die Bayern

Schuld daran waren zehn wilde Minuten in der zweiten Halbzeit, in denen Bjelica zunächst das System umstellte (von 5-3-2 auf 4-3-3), um nur zehn Minuten später die Rolle rückwärts zu vollziehen. Der „Blackout“ (Bjelica), den die Mannschaft dadurch erlebte, wurde dadurch unnötig verstärkt.

„Die taktische Umstellung hat sicherlich mitgespielt“, erklärte Bjelica hinterher: „Diese zehn Minuten waren meine Entscheidung, sie gehen auf meine Kappe. Wir sind dadurch defensiv unsicher geworden. Wenn daran einer Schuld hat, dann der Trainer. Die Mannschaft braucht sich überhaupt nicht schuldig zu fühlen. Doch ich hätte mir den Vorwurf machen müssen, wenn ich nichts verändert hätte.“

Robin Gosens (l.), Linksverteidiger von Union Berlin, kann Bayern-Torwart Manuel Neuer nicht überwinden.
Robin Gosens (l.), Linksverteidiger von Union Berlin, kann Bayern-Torwart Manuel Neuer nicht überwinden. © dpa | Andreas Gora

Die Veränderung erachtete der Union-Coach für notwendig, weil Thomas Müller kurz nach dem Seitenwechsel auf 0:3 gestellt hatte (53.). Der gute Eindruck, den Union in Halbzeit eins hinterlassen hatte, war endgültig dahin. Union trat mutig auf, war hellwach, setzte dem Rekordmeister durchaus zu. „Wir wollten aus der zweiten Reihe noch torgefährlicher werden“, begründete der Union-Coach die durchaus offensive Aufstellung mit Benedict Hollerbach, Volland, Brenden Aaronson und Andras Schäfer.

Union Berlin zeigt ordentliche erste Halbzeit

Wobei sich das in der taktischen Formation schon wieder ein wenig relativierte. Schäfer agierte neben Lucas Tousart eher im defensiven Mittelfeld, weil Rani Khedira nicht komplett fit wurde. Der Vize-Kapitän hatte beim 0:2 in Augsburg einen Pferdekuss erhalten, entgegen erster Hoffnungen war die Blessur jedoch schwerwiegender.

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Hollerbach beispielsweise setzte sich gut gegen Eric Dier durch, bekam jedoch keinen Abschluss hin (18.). Tousart war der Erste von Union Berlin, der Bayern-Torwart Manuel Neuer aus der Distanz prüfte (33.), später zwang auch Robin Gosens den Nationaltorhüter zu einer Glanzparade (42.). Aktionen, die man sich öfter gewünscht hätte.

Kimmich und Kane übertölpeln Union Berlin

Zu diesem Zeitpunkt lief Union Berlin jedoch bereits einem Rückstand hinterher. Gosens, der um seine letzte EM-Chance kämpft, war mit nach vorn gerückt und fehlte folglich hinten links bei jenem klug vorgetragenen Bayern-Angriff, den Leon Goretzka eiskalt zum 0:1 verwertete (29.). Sicherlich verdient, denn die Bayern hatten natürlich mehr vom Spiel, waren in ihren Abschlüssen jedoch zuvor zu unsauber.

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Beim 0:2 in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit ließ sich die Union-Mauer von den Münchnern übertölpeln. Joshua Kimmich täuschte an, lief jedoch in den Strafraum, Union-Verteidiger Danilho Doekhi rückte in Richtung Kimmich aus der Mauer und machte so den Weg frei: Harry Kane traf aus 25 Metern (45.+1).

Vertessen trifft für Union Berlin in der 90. Minute

Nach Müllers 0:3 nahm das Debakel schließlich seinen Lauf, Mathys Tel (61.) und erneut Müller (66.) erhöhten auf 0:5. Nach zehn Minuten war der Spuk vorbei, Bjelicas Rolle rückwärts mit Abwehrspieler Robin Knoche für Angreifer Volland inklusive neuer Fünferkette war bezeichnend. Das 1:5 von Yorbe Vertessen war nur noch Ergebniskosmetik (90.).

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„Wir waren zu passiv in der zweiten Halbzeit und haben einer Spitzenmannschaft zu viele Räume gegeben“, erklärte Union-Kapitän Trimmel, „ich bin kein Typ, der sagt, das System ist schuld.“ Dass das taktische Hin und Her dieses Debakel jedoch begünstigt hat, ist nicht von der Hand zu weisen.

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