Berlin. Die Kleinstadt Tschassiw Jar steht kurz vor der Eroberung durch Russland. Auch sonst gibt es düstere Nachrichten im Ukraine-Krieg.

Tschassiw Jar dürfte nicht mehr lange durchhalten. Die Kleinstadt im Osten der Ukraine mit einst gut 12.000 Einwohnern steht kurz vor der Einnahme durch russische Truppen. Drohnenaufnahmen der Nachrichtenagentur AP aus den vergangenen Tagen zeigen den dramatischen Zustand der Stadt.

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Sollte den russischen Streitkräften der Angriff auf Tschassiw Jar glücken, könnten sie als Nächstes auf die Orte Pokrowsk und Kostjantyniwka vorrücken. Tschassiw Jar liegt strategisch günstig auf einer Anhöhe. Die Ukrainer müssten sich in dem Fall bis nach Kramatorsk zurückziehen, wie der Militärexperte Carlo Masala im Gespräch mit unserer Redaktion erläuterte. Auch Andras Racz, Sicherheits- und Russlandexperte der Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), fürchtet gegenüber unserer Redaktion für die kommenden Wochen „schlechte Nachrichten aus der Ukraine“. Neben Slowjansk ist Kramatorsk die letzte größere Stadt in der Region Donezk, die die Russen noch nicht erobert haben.

Tschassiw Jar dürfte nach einhelliger Ansicht von Beobachtern und ukrainischem Militärgeheimdienst nicht mehr lange durchhalten.
Tschassiw Jar dürfte nach einhelliger Ansicht von Beobachtern und ukrainischem Militärgeheimdienst nicht mehr lange durchhalten. © DPA Images | Uncredited

Ukraine-Krieg: Russen melden neue Geländegewinne – Selenskyj wird deutlich

Ukrainischen Informationen zufolge will Putin die Stadt bis zum sogenannten „Tag des Sieges“ am 9. Mai einnehmen. Früher lebten hier einmal rund 12.000 Menschen, nun harren Schätzungen zufolge noch etwa 700 Menschen aus. „Hier ist es viel heftiger“, sagte ein Kompaniekommandeur unserer Redaktion. Zuvor hat er an der Front im Norden, nahe Kupjansk, gedient. „Die Russen greifen uns sehr hart an, es gibt viele Verluste.“

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Am Samstag (4. Mai) besetzten russische Truppen laut ukrainischen Medienberichten die Siedlung Archanhelske. Auch russischer Militärblogger berichteten von der Einnahme des Ortes. Archanhelske liegt etwa 15 Kilometer nördlich von Awdijiwka. Seit dem Verlust der Stadt gelang es Kiew nicht, die Front in dem Abschnitt zu stabilisieren. Grund sind anhaltende Probleme bei der Waffen- und Munitionsversorgung durch das lange Ausbleiben der westlichen Hilfslieferungen. Der zunächst als neue Verteidigungslinie geplante Raum zwischen Sjewerne, Orliwka und Berdytschi ist inzwischen unter russischer Kontrolle. Auch der Versuch, die Russen vor Otscheretyne zu stoppen, scheiterte. Am Sonntagnachmittag gab die russische Armee bekannt, man habe den Ort vollständig unter Kontrolle gebracht.

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Mit Blick auf die für Mitte Juni geplante sogenannte Friedenskonferenz in der Schweiz sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstag in einer Videobotschaft, der Gipfel müsse ein Erfolg werden, „egal wer versucht, ihn zu unterminieren“. Über den russischen Präsidenten sagte Selenskyj: „Putin will keinen Frieden. Er ist wahnsinnig, und sein Land legt jeden Tag aufs Neue Beweise dafür vor.“

Russland schrieb Selenskyj nun zur Fahndung aus. Strafrechtlich gesucht werde Selenskyj, geboren 1978 in Krywyj Rih, Gebiet Dnipropetrowsk, Ukraine, heißt es dort. Den Grund für die Verfolgung nannte das Innenministerium im Fahndungsaufruf nicht. Später wurde bekannt, dass auch Selenskyjs Vorgänger Petro Poroschenko und der Chef der ukrainischen Heerestruppen, Olexander Pawljuk, zur Fahndung ausgeschrieben sind.

Russland-Reportagen von Jan Jessen