Berlin. Und die Donau war queer – sie änderte mehrmals ihr Geschlecht. Heute etwas über die Toponyme.

Nach zwölf Jahren mit meinen Sprachkolumnen an vorderster Front der deutschen Sprache und allen ihren Besonderheiten weiß ich, dass die Erklärung der Staatennamen in der Leserschaft sofort ein großes Interesse für andere Toponyme auslöst. Toponyme sind der Fachbegriff für geografische Namen und Bezeichnungen, womit in erster Linie Orts-, Städte- und Flurnamen sowie die zum Teil in frühhistorische Zeit zurückreichende Namen der Flüsse gemeint sind. Diese alten Benennungen stellen eine unschätzbare Quelle nicht nur für die etymologische Wortforschung dar, sondern auch für die Siedlungs- und Kulturgeschichte (nach Hans Ulrich Schmid).

Flüsse waren schon immer die Voraussetzung für eine Ansiedlung

Die Flüsse bildeten im deutschen Sprachraum seit alters her die Voraussetzung für die Ansiedlungen in frühgeschichtlicher Zeit. Wenn andere Stämme und Völker als neue Schicht der Besiedlung nachrückten (was durchaus nicht immer friedlich vonstattenging), fanden sie die Namen der Ströme und Flüsse bereits vor. Sie übernahmen sie und wandelten sie ab. Das konnte sogar zu grammatischen Änderungen führen, sodass „die“ Donau im Laufe der Zeit „der“ Donau“ und wieder „die“ Donau hieß.

Die ältesten Namen gehen auf eine nicht näher zuordenbare vorgermanische Besiedlung zurück. Meistens lag dem Wortstamm der Kern von „Wasser“ oder „Fluss“ zugrunde, etwa bei der Elbe, Saale oder Saar. Den Kelten kann man aus vorhistorischer Zeit Donau, Lahn und Inn zuweisen. Dagegen bilden die Flüsse auf -ach (Salzach, Rottach) und -a (Fulda, Gera) eine jüngere Schicht der Anwohner. Sie sind germanischen Ursprungs. Das Wortelement -ach oder -a enthält die germanische Bezeichnung für „fließendes Gewässer“ und ist verwandt mit dem lateinischen aqua (Wasser).

Die meisten Flüsse sind weiblich, aber es gibt auch männliche

In Ohe oder Ache kommen diese Suffixe (Endsilben) sogar isoliert vor. Die Genera der verschiedenen Besiedlungsschichten führten dazu, dass die meisten Flüsse weiblich sind: „die“ Elbe, „die“ Oder, „die“ Neiße, „die“ Mosel und „die“ Spree. In der Spree steckt der germanische Ursprung spre[u] für spreizen oder sprühen. Der Name Sprēw wanderte als Sprěva ins Slawische und wurde als „die Spree“ wieder eingedeutscht.

Indes gibt es in Deutschland auch männliche Flüsse: „der“ Rhein, „der“ Main, „der“ Neckar und „der“ Inn. Die Römer benannten bereits Flüsse im zu ihrem Imperium gehörenden Teil Germaniens, als die Germanen noch durch ihre Wälder schlichen. „Der“ Rhein war der Rhenus, „der“ Inn der Aenus, „der“ Main der Moenus und „der“ Lech der Licus. Alle diese Namen waren auf gut Latein männlich, und sie sind bis heute männlich geblieben.

Allerdings gibt es auch lateinische Maskulina, die später eine Geschlechtsumwandlung ins Weibliche vorgenommen haben. Aus dem männlichen Saravus ist die heute weibliche Saar geworden und aus dem männlichen Danubius, wie erwähnt, die weibliche Donau, obwohl das „-au“ in Donau nichts mit der Au, dem Fluss, zu tun hat.

Mal ganz ohne Grammatik und Etymologie (Wortgeschichte): Nach unserem Gefühl muss die Donau ganz einfach weiblich sein! Man stelle sich vor, wir sollten „An dem schönen blauen Donau“ sagen – Johann Strauß wären die Saiten von der Geige gesprungen, und die Wiener Philharmoniker würden sich weigern, am Neujahrsmorgen ihr beschwingtes Konzert zum Jahresauftakt zu geben.

Manche Ortsnamen gehen auf die Zeit der keltischen Besiedlung zurück

Auch Ortsnamen können ein ehrwürdiges Alter haben und teilweise bis in die Zeit der keltischen Besiedlung zurückreichen. Das ist zum Beispiel bei Bregenz der Fall. Der alte Name von Regensburg (Ratisbona) ist keltisch. Aus der Zeit und Schicht der römischen Herrschaft im späteren Deutschland gibt es zahlreiche Orts- und Städtenamen, die in diese Epoche zurückreichen, etwa Köln (aus Colonia Agrippina), Passau (aus Castra Batava) oder Kempen (aus Campodunum).

Im Zuge der Ostkolonialisierung kamen deutsche Siedler mit slawischen Namen in Berührung (Chemnitz). Der Name „Berlin“ entstand wohl aus einer slawischen Sprache und bedeutet „Sumpfstadt“, denn die Siedlung, die zur Hauptstadt werden sollte, lag inmitten eines Sumpfgebietes.