Berlin. Anbaden bei 8,5 Grad ist nichts für Frostbeulen: Dafür gibt es an Ostern Zugang zu einem lange vergessenen Raum – bei freiem Eintritt.

Schon eine halbe Stunde vor der Öffnung der Tore um 10 Uhr morgens stehen am Karfreitag rund 60 Leute an am Strandbad Wannsee an. Lufttemperatur: 10 Grad, Wassertemperatur laut Berliner Bäder-Betriebe 8 Grad. Die Gäste wollen anbaden. Traditionell findet das am Karfreitag statt.

Als das Tor sich öffnet, strömen sie rein. Eine Besucherin mahnt ihre Begleitung: „Mach mal nicht so eilig, der läuft nicht weg der kalte Tümpel.“ Herab geht es die Stufen mit Blick auf den knapp 1,3 Kilometer langen Strand. Die Strandkörbe sind bereits aufgestellt und können am Osterwochenende kostenlos genutzt werden.

Nach dem Baden kann man sich in Fass-Saunen und einem warmen Pool aufwärmen

Der Erste im Wasser ist Frank, vom Bademeister wird er mit Berliner Herzlichkeit zur Ordnung gepfiffen – er ist neben dem markierten Bereich ins Wasser gegangen. Alles muss seine Ordnung haben. Frank wohnt am Breitenbachplatz und geht mindestens einmal die Woche schwimmen – im Sommer wie im Winter. „Man gewöhnt sich an die Temperaturen, es ist nicht mehr schlimm“, erzählt er. Das Anbaden ist Wannsee ist für ihn ein Ritual. Sonst geht er eher zur Krummen Lanke. „Ich mache das bestimmt schon seit 10 Jahren – aber über Corona sind diese Veranstaltungen ja ein bisschen eingeschlafen, schön, dass es das jetzt wieder gibt.“ Er ist ganz begeistert von den großen Fass-Saunen am Ufer, lässt kurz entschlossen die nasse Badehose fallen, bindet sich ein Handtuch um und entschwindet in die Hitze. Daneben steht auch ein heißer Pool steht bereit.

Wem das Wasser noch zu kalt ist, der kann auch nur am Strand und in den übers Osterwochenende kostenlosen Strandkörben sitzen.
Wem das Wasser noch zu kalt ist, der kann auch nur am Strand und in den übers Osterwochenende kostenlosen Strandkörben sitzen. © FUNKE Foto Services | Jörg Krauthöfer

Nicht jeden zieht es ins Wasser. Dafür gibt es auch ein Programm. Die Strandkörbe können über Ostern gratis genutzt werden. Auch der Imbiss im Strandbad ist geöffnet. Für Kinder werden am Eingang Süßigkeiten verteilt und Ostersonntag oder Ostermontag – in Abhängigkeit vom Wetter - kleine Überraschungen im Bad versteckt.

Und die Berliner Künstlerin und Kuratorin Christine Kisorsy zeigt über die Osterfeiertage unter dem Motto „Wochenend’ und Sonnenschein“ ihre Collage aus historischen Kurzfilmen aus dem Berlin der 1920er und 1930er Jahre. Da sieht man den voll belegten Strand des „Volksbades“, wie es anfangs hieß, und Massen im Wasser. Darunter auch eine mit Musik unterlegter Film über ein Badeschiff, das die Plattenfirma Electrola damals in der Havel schwimmen ließ. Das jeweils 40-minütige Programm nimmt die Zuschauerinnen und Zuschauer mit auf eine filmische Zeitreise in das Berlin der damaligen Zeit und natürlich auch ins Strandbad Wannsee. Gezeigt wird die Collage im Kinosaal. Denn, was kaum jemand mehr wusste, das Strandbad Wannsee hat eines Kino mit hölzernen Klappsitzen und Projektor. „Den habe ich im vergangenen Jahr entdeckt“, erzählt Kisorsy im Morgenpost-Gespräch.

Künstlerin Christine Kisorsy zeigt eine Film-Collage im alten Kino des Strandbad Wannsee.
Künstlerin Christine Kisorsy zeigt eine Film-Collage im alten Kino des Strandbad Wannsee. © FUNKE Foto Services | Jörg Krauthöfer

Da hatte sie eine Fotoausstellung im Bad. „Der Kinosaal wurde nur noch als Abstellraum genutzt.“ Kisorsy hat ein Faible dafür Kino an ungewohnte Orte zu bringen und in Geschichten von Orten nachzuspüren, darum ist sie auch vom Strandbad so fasziniert. Die Filmvorführungen finden statt noch bis Montag statt, täglich von 11 Uhr bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Finanziell unterstützt hat die Stiftung Ernst-Reuter-Archiv das Programm. Für Geschäftsführer Michael Bienert ist der Kinosaal vom Wannsee etwas ganz besonderes. „Er hat zwar kein Dolby Surround, aber dafür den schönsten Ausblick, den ein Kino haben kann“. Und das, obwohl das Wetter am Karfreitag eher grau ist.

Traditionelles Anbaden im Strandbad Wannsee

weitere Videos

    Doch das ist auch dem 74-jährigen Wannsee-Veteran Knut egal. Er trägt eine Badehose mit Smiley und eine Mütze in Form eines Wikingerhelms. „Ich mache das bestimmt schon seit 20 Jahren – das hält frisch. Aber nur hier, nirgendwo anders. Der Wannsee ist eben der Wannsee.“ Eine andere Schwimmerin misst gerade die Wassertemperatur mit einem elektronischen Thermometer. Es zeigt: 8,5 Grad an. Das ist ein halbes Grad mehr als offiziell verkündet. Die Schwimmerin frohlockt: „Jedes halbe Grad spürt man körperlich.“

    Manche gehen mit Neopren-Socken ins Wasser

    Der Zehlendorfer Knut (74, mit Mütze) ist jedes Jahr dabei. Im Hintergrund der warme Pool.
    Der Zehlendorfer Knut (74, mit Mütze) ist jedes Jahr dabei. Im Hintergrund der warme Pool. © FUNKE Foto Services | Jörg Krauthöfer

    Für Familie Hobert ist es ein Spaß. Sie sind zum zweiten Mal dabei. „Das ist bei uns jetzt Tradition bei uns – seit dem letzten Jahr“, sagt Vater Chris. Sie tragen Neopren-Socken. Warum nur? „Weil es wärmer ist“, sagt er und muss selbst lachen über die absurde Antwort angesichts des kalten Wannsees. Dann sprintet die Familie gemeinsam ins Wasser – ein kleines Schwesterlein bleibt allerdings im letzten Moment am Ufer stehen. Später kommen dann die Picknicker an den Wannseestrand und in die Strandkörbe– und leider auch ein bisschen Regen. Aber davon lässt sich niemand einschüchtern.

    Ein Besuch des Bades über die Ostertage ist jeweils von 10 bis 18 Uhr bei freiem Eintritt möglich. Ab 2. bis 30. April steht das Strandbad für Besuche zum ermäßigten Tarif von 3,50 Euro zur Verfügung, allerdings ohne Badebetrieb. Tickets können an der Kasse erworben werden. Das Bad hat dann montags bis freitags von 12 bis 18 Uhr geöffnet, am Wochenende von 10 bis 18 Uhr.

    Mehr Neuigkeiten aus Steglitz-Zehlendorf lesen Sie hier.