Berlin. Ein Stück Kunst am Bau lässt Passanten in Prenzlauer Berg rätseln. Und erzählt auch etwas über die Corona-Krise.

Ein griechischer Mythos in Prenzlauer Berg. Ein selbstironisches Kunstwerk an einer Schul-Turnhalle. Ein Paradebeispiel für Kunst am Bau: all das ist die Kugel des Sisyphos in der Stahlheimer Straße. Kein Tag vergeht ohne staunende Blicke von Passanten eine Betonwand hinauf. Dorthin, wo von einer Stahlstange eingeklemmt, ein Felsbrocken haftet. Als hätte ein Riese sie dort drapiert, haftet die Kugel knapp unter dem Dachfirst der neuen Sporthalle der Carl-Humann-Grundschule. Nur war es kein Riese, kein Gott – sondern eine Jury im Auftrag des Bezirksamts Pankow. Mitten in der Corona-Pandemie befand das Preisgericht 2021 in einer infektionssicheren Online-Sitzung die Arbeit des Schweizer Künstlers Simon Deppierraz für ein Meisterwerk, das sich umzusetzen lohnt.

Und da hängt sie nun über den Köpfen der Fußgänger, die sich fragen, was das soll. So viel sei gesagt: Die Arbeit nennt sich „Sisyphus wins“, kostete etwa 46.000 Euro und zeigt, wie Kunst am Bau die Funktionalität eines allzu schlichten Zweckbaus aufbrechen kann. Die Juroren lobten damals die „Sparsamkeit der Mittel und den Aspekt des Spektakulären“, der in der Unglaublichkeit einer Kugel in Dachhöhe aufblitzt.

Kunst in Prenzlauer Berg: Stein trotzt der Schwerkraft

46.000 Euro kostete die Verwirklichung des Kunst-am-Bau-Projekts in Prenzlauer Berg.
46.000 Euro kostete die Verwirklichung des Kunst-am-Bau-Projekts in Prenzlauer Berg. © Thomas Schubert / BM | Thomas Schubert

„Die technische Leistung hinterfragt und beunruhigt: Eingekeilt zwischen der Straße und der imposanten Außenwand der Sporthallen, trotzt dieser Stein der Schwerkraft und erhebt sich, nicht ohne an den Flug eines Stabhochsprungs zu erinnern“, beschreibt Deppierraz den Sieg-Entwurf in eigenen Worten. Damit versetzt er den Mythos des Sisyphos, der dazu verdammt war, eine Kugel einen Berg hochzurollen, in die Welt des Sports. Und das kann bei einer Schulturnhalle nicht ganz verkehrt sein. Erst recht, wenn sich die unheimliche Kugel an der Ecke Kuglerstraße befindet.

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Sitz, wackelt nicht, hat Luft: Die Kugel des Sisyphos an einer Berliner Turnhalle hat dem mythologischen Original etwas voraus: Sie rollt nicht hinunter.
Sitz, wackelt nicht, hat Luft: Die Kugel des Sisyphos an einer Berliner Turnhalle hat dem mythologischen Original etwas voraus: Sie rollt nicht hinunter. © Thomas Schubert / BM | Thomas Schubert

Aus Sicht des Preisgerichts, das im Namen des Bezirksamts Pankow vor drei Jahren die Entscheidung traf, lässt sich die Allegorie der Vergeblichkeit in der Tat auf das Berliner Bildungswesen übertragen. So heißt es ohne Witz: „Die Schule, der Ort, an dem man seinen Stein wälzt, kristallisiert pubertäre Erfahrungen und hat mindestens so viele Versuche wie Erfolge: Man baut auf, lernt, wächst über sich hinaus, scheitert und fängt neu an.“ Bleibt nur zu hoffen, dass die Felskugel des Sisyphos in Prenzlauer Berg nie auf einen Passanten hinunterrollt. Denn das geschieht laut Mythos ständig und auf alle Zeit.

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