Berlin. Umwelt- und Verkehrssenatorin Manja Schreiner verliert wegen Fehlern in ihrer Dissertation ihren Doktortitel und will zurücktreten.

Berlins Umwelt- und Verkehrssenatorin Manja Schreiner (46/CDU) tritt zurück. Das erfuhr die Morgenpost zunächst aus Kreisen der Koalition aus CDU und SPD. Am Vormittag bestätigte Schreiner selbst die Information im Rahmen eines Pressestatements vor der Verkehrsverwaltung in Mitte. Grund für den Rückzug der als Hoffnungsträgerin der Berliner CDU gehandelten politischen Quereinsteigerin ist die Entscheidung der Universität Rostock, ihr wegen Plagiaten in der Dissertation den Doktortitel zu entziehen. Fragen waren nicht zugelassen.

Schreiner sagte, die Universität habe sie informiert, dass sie ihr den Doktortitel entziehen werde. Um Schaden vom Land Berlin und dem Senat abzuwenden, habe sie den Regierenden Bürgermeister um ihre Entlassung gebeten. Sie habe in ihrer 2007 eingereichten Doktorarbeit aber nie betrogen oder getäuscht, sagte Schreiner. Als Privatperson werde sie juristisch gegen das Votum der Universität vorgehen.

Lesen Sie auch:Das sagt Kai Wegner zum Rücktritt von Manja Schreiner

Als Senatorin habe sie stets große Verantwortung gegenüber der Stadt und ihren Menschen empfunden, hieß es in einer kurzen Erklärung weiter, die Schreiner vor Medienvertretern verlas. Diese Verantwortung gibt mir nun diesen Weg aus dem Amt vor.“ Sie gehe diesen Schritt sehr schweren Herzens. „Denn ich hätte nur zu gern mit all meiner Kraft im Sinne der Berlinerinnen und Berliner gemeinsam diese Stadt weiter gestaltet.“

Obwohl in der CDU schon länger über einen Rücktritt als mögliche Konsequenz eines Verlustes des Doktortitels spekuliert worden war, kam die Entscheidung dann doch überraschend. Noch am Wochenende war Schreiner mit bei der Klausur des CDU-Landesvorstandes in Dresden. Dort gab es auch diverse vertrauliche Gespräche mit Parteifreunden. Von einem Beschluss der Universität und einem Rücktritt sei dabei keine Rede gewesen, hieß es von Teilnehmern.

Lesen Sie auch:So begründet die Uni Rostock den Entzug des Doktortitels

Frankfurter Rechtsprofessor war auf Unregelmäßigkeiten aufmerksam geworden

Schreiner hatte im August vorigen Jahres angekündigt, ihre juristische Doktorarbeit zum Thema „Arbeitnehmerberücksichtigung im Übernahmerecht“ aus dem Jahr 2007 überprüfen lassen zu wollen. Zuvor hatte es Berichte über Unregelmäßigkeiten gegeben, die das Portal VroniPlag Wiki beanstandet hatte. Öffentlich geworden war der Fall durch einen Fachartikel in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“. Dort hatte der Frankfurter Rechtsprofessor Roland Schimmel über sogenannte Bauernopfer in akademischen Arbeiten berichtet und in diesem Zusammenhang Schreiners Arbeit als Beispiel genannt. Darunter sind Textübernahmen aus anderen Arbeiten zu verstehen, bei denen die Quelle genannt, aber beispielsweise der Umfang der Übernahme nicht klar gekennzeichnet ist.

Die SPD, aktuell Koalitionspartner der CDU, habe den Rücktritt nicht gefordert, hieß es am Montag aus der Parteiführung. Man sei erst am Morgen sehr kurzfristig vom Schritt Schreiners informiert worden. In der CDU, die sich als „bürgerliche Partei“ versteht, sei es nicht möglich gewesen, Schreiner mit entzogenem Doktortitel zu halten, hieß es am Dienstag aus der CDU-Parteiführung. Zumal die CDU als Opposition erheblichen Druck auf die vormalige SPD-Spitzenkandidatin und Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey ausgeübt hatte, nachdem die Freie Universität Giffey den Doktorhut entzogen hatte.

Allerdings war die Ausgangslage im Fall Giffey eine andere: Die Sozialdemokratin war im Mai 2021 als Bundesfamilienministerin zurückgetreten, wechselte dann in die Berliner Landespolitik. Die Berliner hätten sie dann in Kenntnis dieser Situation 2021 gewählt, so lautete stets Giffeys Argument, warum sie als einzige Politikerin in Deutschland, die auch nach Entzug eines Doktortitels ein Spitzenamt bekleidet.

Lesen Sie auch:Das ist der berufliche Werdegang von Manja Schreiner

SPD-Abgeordneter: „Ich habe Respekt davor, was sie geleistet hat“

Tino Schopf, SPD-Abgeordneter
Tino Schopf, SPD-Abgeordneter © picture alliance/dpa | Sebastian Christoph Gollnow

Dass Manja Schreiner in der SPD-Fraktion durchaus Unterstützung hat, zeigt auch die Reaktion des Abgeordneten Tino Schopf. Der verkehrspolitische Sprecher der SPD nannte die Rücktrittsentscheidung „sehr bedauerlich“, er nehme sie aber mit Respekt zur Kenntnis. „Die Zusammenarbeit war angenehm und sehr vertrauensvoll, auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren.“

Schopf, der ab Ende 2021 selbst gut ein Jahr lang Staatssekretär für Energie und Betriebe war, erkannte vor allem auch den Einsatz von Schreiner in ihrem Amt an. Sie habe sich die Zeit für die vielen Themen genommen und sich durchgebissen, dabei auch nicht auf die Uhr geschaut, so Schopf. Als Kritikpunkt blieb der Radwege-Stopp aus Schreiners Anfangszeit. „Das hätte man ganz anders kommunizieren müssen.“ Insgesamt zeigte er sich mit der Bilanz von Manja Schreiner im ersten Amtsjahr aber durchaus zufrieden, man habe in der Koalition einiges vorangebracht. „Ich habe Respekt davor, was sie geleistet hat“, so Schopf. on

Grüne: Der Rücktritt war der einzig mögliche Schritt

Kai Wegner (l, CDU), Regierender Bürgermeister, Werner Graf und Bettina Jarasch (beide Bündnis90/Die Grünen), Fraktionsvorsitzende, kommen zu einer Plenarsitzung ins Berliner Abgeordnetenhaus.
Kai Wegner (l, CDU), Regierender Bürgermeister, Werner Graf und Bettina Jarasch (beide Bündnis90/Die Grünen), Fraktionsvorsitzende, kommen zu einer Plenarsitzung ins Berliner Abgeordnetenhaus. © DPA Images | Jörg Carstensen

Nach dem Schreiner-Rücktritt sagte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Werner Graf: „Wer getäuscht und Privilegien missbraucht hat, muss Konsequenzen ziehen. Daher war der Rücktritt Manja Schreiners nach der Aberkennung ihres Doktortitels der einzig mögliche Schritt. Die nun vakante Stelle der Verkehrssenatorin muss nun zügig neu besetzt werden. Eine Leerstelle auf diesem Posten kann sich unsere Stadt nicht leisten. Dafür sind die Löcher, die Manja Schreiner hinterlässt, von Verkehrswendestopp bis BVG-Krise, viel zu groß.“

Die Grünen wünschten der nachfolgenden Person, dass sie nun tatkräftig anpacke und die bisherige Stopp-Politik aus der Verkehrsverwaltung ein Ende finde. „Wir brauchen endlich wieder eine Verkehrspolitik, die den Schutz der Schwächsten in den Blick nimmt. Auch Menschen, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, müssen unversehrt und angstfrei unterwegs sein können. Es ist höchste Zeit für eine progressive, mutige und nachhaltige Verkehrspolitik, die Berlin gerecht und sicher macht.“