Berlin. Vor einigen Jahren wurden wegen der Corona-Pandemie mehr extremistische Straftaten in Berlin verübt. Nun gibt es einen anderen Trend.

Im vergangenen Jahr sind deutlich mehr politisch motivierte Straftaten in Berlin von der Polizei erfasst worden als in den Vorjahren. In der Statistik steht für 2023 die Zahl von 6420 Taten mit politischem Hintergrund, wie aus einer Antwort des Senats an den Grünen-Abgeordneten Vasili Franco hervorgeht. 2022 waren es rund 5100 Taten und 2021 knapp 6000.

Ein Teil des aktuellen Anstiegs hat auch mit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel im Oktober zu tun: Bei den folgenden Demonstrationen gegen den israelischen Militäreinsatz gab es etliche Propagandadelikte palästinensischer Gruppen. Die vollständigen Zahlen stellen Senat und Polizei im Lauf des Mittwochs vor.

Menschen nehmen in Kreuzberg an einer propalästinensischen Demonstration teil.
Menschen nehmen in Kreuzberg an einer propalästinensischen Demonstration teil. © DPA Images | Fabian Sommer

Insgesamt handelt es sich in der Statistik der politischen Straftaten vor allem um Propagandadelikte, Sachbeschädigungen und auch Gewalttaten. Leicht gestiegen ist dabei die Zahl der Straftaten mit einem rechtsextremen Hintergrund auf 2294 (2022: 2181; 2021: 2094). Bei etwa der Hälfte davon ging es um das Zeigen verfassungswidriger Zeichen. Außerdem gab es zahlreiche Beleidigungen und 123 Fälle von Gewalttaten wie Körperverletzungen.

Mehr Taten mit linkem oder linksextremem Hintergrund in Berlin

Pyrotechnik wird von den Demonstranten am 1. Mai 2023 gezündet.
Pyrotechnik wird von den Demonstranten am 1. Mai 2023 gezündet. © dpa | Kay Nietfeld

Eine stärkere Zunahme auf 1128 registrierte die Polizei bei den Taten mit einem linken oder linksextremen Hintergrund. 2022 lag die Zahl bei rund 950, davor im Jahr 2021 aber bei rund 1500. Etwa einem Drittel liegt der Vorwurf der Nötigung zugrunde, das könnte auch mit den Straßenblockaden der Klimaschutzgruppe Letzte Generation zu tun haben. Bei Gewalttaten ging es oft um Widerstand gegen die Polizei.

Den stärksten Anstieg der vergangenen Jahre verzeichnete der Bereich „Ausländische Ideologie“: von knapp 250 (2021) und 550 (2022) auf zuletzt 982 Straftaten. Franco erklärte: „Ein großer Teil des Anstiegs ist dabei zurückzuführen auf Propagandadelikte, Volksverhetzung, Beleidigung und Sachbeschädigungen.“ Besonders der Krieg Israels gegen die palästinensische Hamas dürfte hier zu dem Anstieg beigetragen haben.

Mehr Taten zählte die Polizei aber auch bei der „Religiösen Ideologie“, wo es einen Anstieg von 94 auf 212 gab. Oft ging es dabei um Islamisten und verbotene Terrororganisationen, Terrorfinanzierung und -unterstützung.

1804 Straftaten fielen in den Bereich, der keiner politischen Seite eindeutig zuzuordnen ist. Vieles davon stammt aus dem Milieu der Verschwörungstheoretiker und früheren Gegner der Corona-Gesetze.

Franco fragte auch die offenen Haftbefehle ab, deren Zahl bei 201 liegt. 70 gesuchte mutmaßliche Täter stammen aus rechtsextremen Kreisen, 16 aus dem linken Spektrum und 44 sind religiöse Ideologen, also meist Islamisten. 52 der Gesuchten werden im Ausland vermutet.

Vasili Franco (Grüne): „Stimmung spiegelt sich in Zahlen wider“

Vasili Franco (Bündnis 90/Die Grünen)
Vasili Franco (Bündnis 90/Die Grünen) © picture alliance/dpa | Annette Riedl

Der Innenpolitiker Franco teilte mit: „Der politische Rechtsruck und die aufgeheizte Stimmung spiegeln sich leider auch in den Zahlen der politisch motivierten Kriminalität wider. Rechtsextreme verüben nicht nur die meisten Straftaten, sondern auch die meisten Gewalttaten.“ Viele dieser Taten würden nicht bestraft, vor allem wenn Täter unerkannt blieben. Auch bei den offenen Haftbefehlen lägen Rechtsextreme weit oben.

Die Polizei stellte im vergangenen Jahr auch einen erneuten Anstieg bei Straftaten gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsheime fest. Das geht aus einer weiteren Antwort des Senats auf eine Anfrage von Grünen-Abgeordneten hervor. 2023 waren das 49 Taten, in den beiden Vorjahren jeweils 27. Davor lagen die Zahlen deutlich höher, 2016 und 2017 nach der großen Flüchtlingswelle gab es mehr als 200 erfasste Angriffe. dpa