Berlin. Berlins Statistikamt meldet einen drastischen Geburtenrückgang. Ein Bezirk erlebt allerdings einen regelrechten Babyboom.

Berlinerinnen bekommen besonders wenige Babys. Laut Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) „unterboten“ Berlinerinnen andere Frauen in Deutschland 2022, indem sie durchschnittlich nur 1,25 Kinder bekamen. Ein Trend, den das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg bereits seit 2016 beobachtet. Und es geht weiter bergab, begünstigt vom hohen Akademikerinnen-Anteil in Berlin, wie Sozialforscherin Jutta Allmendinger mutmaßt.

In sieben von zwölf Berliner Bezirken gab es mehr Sterbefälle als Geburten. Nur drei Berliner Bezirke machen da eine Ausnahme: In Mitte (+1495), Friedrichshain-Kreuzberg (+1119) und Pankow (+314) kamen 2022 mehr Babys zur Welt als Menschen starben. Besonders das Einwohner-Melderegister im Bezirk Mitte verzeichnet seit 2015 einen stabilen Baby-Nachwuchs. In Friedrichshain-Kreuzberg kamen gegenüber dem Vorjahr 14,1 Prozent weniger Babys zur Welt, in Pankow 11,9 Prozent weniger.

Baby-Boom in Mitte: Versuch einer Erklärung

Entwicklung der Geburten- und Sterbezahlen in Berlin zwischen 2015 und 2022. Während die Geburten in Pankow stark rückläufig sind, nehmen sie in Mitte zu.
Entwicklung der Geburten- und Sterbezahlen in Berlin zwischen 2015 und 2022. Während die Geburten in Pankow stark rückläufig sind, nehmen sie in Mitte zu. © BM | Amt für Statistik Berlin-Brandenburg - Einwohnerregisterstatistik (Bewegungsdaten)

Bei den Geburten ist Mitte (Stand: Ende 2022) mit 4010 Babys der Spitzenreiter, darauf folgt Pankow mit 3860 Babys. Ausschlaggebend ist nicht der Standort der Geburtsklinik, sondern der Wohnort der Erziehungsberechtigten. Iris Hoßmann-Büttner, Expertin für Kommunalstatistik Berlin, macht die Bevölkerungsstruktur für die Verteilung der Geburten verantwortlich: In Pankow lebten „vergleichsweise viele potenzielle Mütter im Alter zwischen 15 und 49 Jahren – 50 Prozent aller Frauen in Pankow sind in diesem Alter.“ In Mitte seien es sogar 51 Prozent, berlinweit 42 Prozent.

Die hohen Geburtenzahlen in Mitte würden zusätzlich durch den hohen Anteil an ausländischen Frauen getragen, so Hoßmann-Büttner. Denn „die Geburtenrate ausländischer Frauen ist höher als die deutscher Frauen. In Mitte haben 43 Prozent der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren eine ausländische Staatsbürgerschaft – in Pankow sind es 26 Prozent und in Berlin insgesamt 32 Prozent.“

Der Zeichner OL (Olaf Schwarzbach) 2015 in seiner Wohnung im Prenzlauer Berg mit seiner Tochter Antonia (1,5) Er wurde mit dem Comic „Mütter vom Kollwitzplatz“ bekannt.
Der Zeichner OL (Olaf Schwarzbach) 2015 in seiner Wohnung im Prenzlauer Berg mit seiner Tochter Antonia (1,5) Er wurde mit dem Comic „Mütter vom Kollwitzplatz“ bekannt. © Amin Akhtar | Amin Akhtar

Beliebt bei Familien: Alexanderplatz-Viertel und Pankow-Zentrum

Lange galt der Prenzlauer Berg als Inbegriff des Berliner Babybooms. Seit 1991 hatte sich dort der Anteil der Einwohner, die jünger als ein Jahr sind, verdoppelt. Noch 2016 lag der Prenzlauer Berg mit 12,7 Babys pro 1000 Einwohner ganz oben. Die Babydichte um den Kollwitzplatz war zeitweise so hoch, dass 1997 sogar ein Comic darüber erschien: „Die Mütter vom Kollwitzplatz“, der bis heute verlegt wird. Ab 2009 wurde der Prenzlauer Berg langsam von Friedrichshain mit 12,5 Babys pro Tausend Einwohner eingeholt.

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Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg hat aufschlussreiche Zahlen über das Familienleben in Berlin auf einer gesonderten Website zusammengetragen, die Familienleben in Berlin heißt. Demnach leben 2022 immer noch die meisten Berliner Familien mit minderjährigen Kindern in Pankow (13,7 Prozent), aber nicht mehr mehrheitlich in Prenzlauer Berg. Auf Platz zwei liegt bei Familienbezirken im Jahr 2022 Mitte (10,3 Prozent), danach kommt Lichtenberg (8,9 Prozent). Vergleichsweise wenige Familien mit minderjährigen Kindern leben in Spandau (5,9 Prozent) und Reinickendorf (6,4 Prozent).

In Pankow wohnen die meisten Familien Berlins (46.859), davon jede zehnte Familie im Zentrum, das vom Statistikamt als Lebensbereich zwischen der Autobahn A114 und der Blankenburger Straße definiert wird, oder im Ortsteil Weißensee. Nur noch 8 Prozent der Familien (3.175) aus Pankow leben in Prenzlauer Berg Süd, wo der Kollwitzplatz liegt und 2.894 Familien in Prenzlauer Berg Nord. In Mitte verteilt sich das Gros der Familien auf das Alexanderplatz-Viertel zwischen Mollstraße und Spree, den Wedding und die Brunnenstraße Nord. Nur drei Prozent der Familien in Mitte leben im Regierungsviertel. In Tempelhof-Schöneberg wohnte jede zehnte Familie in Lichtenrade-Süd.

Zuzug gleicht in Berlin niedrige Geburtenrate aus

Seit 50 Jahren gibt es in Deutschland mehr Tote als Geburten. Den letzten Geburtenüberschuss gab es 1971. Der BevölkerungsforscherMartin Bujard macht die Krisen dafür verantwortlich: „Der Krieg in der Ukraine, die gestiegene Inflation oder auch der fortschreitende Klimawandel haben die Menschen zusätzlich zur Pandemie verunsichert“. Berlin ist keine Ausnahme. Aber der Zuzug von Menschen verhindert, dass Berlin ausstirbt. Laut Landesamt für Statistik leben aktuell rund 3,88 Millionen Menschen in Berlin, 27.291 mehr als im Vorjahr. Ende 2022 verzeichnete Berlin sogar einen Rekordwert von Zuwanderungen in Höhe von 76.000 Personen – ein Anstieg um 598 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2021: 10.892).

Die jüngsten und die ältesten Bezirke Berlins

Die höchste Baby-Quote besitzt Lichtenberg mit 9 Babys pro 1000 Einwohner, dicht gefolgt von Mitte mit einer Quote von 8,9 und Neukölln mit einer Quote von 8,8. Laut Amt für Statistik Berlin-Brandenburg betrug Ende 2023 das Durchschnittsalter der Berliner 42,7 Jahre. Das höchste Durchschnittsalter lag mit 46,4 Jahren im Bezirk Steglitz-Zehlendorf, gefolgt von Charlottenburg-Wilmersdorf mit 45,1 Jahren. Die „jüngsten“ Bezirke waren Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte mit einem Durchschnittsalter von 39,1 und 39,3 Jahren. Laut einer Open Street-Map ist die Angerburger Allee in Charlottenburg Berlins ältester Kiez. Mehr als 50 Prozent der Bewohner sind dort über 65 Jahre alt. Die meisten Gestorbenen zählten übrigens die Bezirke Steglitz‑Zehlendorf (3.964), Pankow (3.751) und Tempelhof‑Schöneberg (3.683).