Berlin. Ein schwedisches Unternehmen möchte fliegende Wassertaxis in Berlin etablieren. Ist das eine realistische Option?

Die urbane Mobilität der Zukunft ist geprägt von oftmals träumerisch anmutenden Ideen. Eine solche ist beispielsweise das Flugtaxi, eine andere das Wassertaxi – fliegend. Schnell, umweltfreundlich und angenehm: Das schwedische Unternehmen Candela findet einige Attribute, um ihre futuristischen Boote zu bewerben. Ihr Ziel: den Verkehr in Berlin entlasten und Fahrten vom Reichstag bis nach Charlottenburg innerhalb von neun Minuten anbieten.

„Die Wasserwege sind kostenlose Infrastruktur, und wenn man sorgfältig damit umgeht, kann man die Stadt möglicherweise auf einem anderen Weg miteinander verbinden“, ist sich Unternehmenssprecherin Brigitte Junker sicher. Viele Wasserwege würden kaum genutzt, Boote blieben in den meisten Fällen unausgelastet. So habe eine Studie in Stockholm, wo das Unternehmen seinen Hauptsitz hat, gezeigt, dass nur 17 Prozent der Zeit Schiffe voll ausgelastet seien – dabei aber aufgrund von Abgasen und Wellenentwicklung die Umwelt, vor allem die Ufer, belasteten.

So funktioniert die Flugtechnologie auf dem Wasser

Ein sorgsamer Umgang mit dem Gewässer und der Umwelt sei mit der Technologie von Candela jedenfalls gesichert. „Das Boot macht keine Geräusche, erzeugt keine Wellen und nutzt keine fossilen Energieträger, sondern wird elektrisch betrieben“, erklärt der Schwede Erik Eklund, der bei Candela für die Vermarktung der Luftschiffe verantwortlich ist. „Geschwindigkeit erzeugt Wellen, Wellen zerstören die Ufer.“

Erik Eklund vom schwedischen Unternehmen Candela bei einer Testfahrt mit dem Flugschiff in Schmöckwitz auf dem Crossinsee.
Erik Eklund vom schwedischen Unternehmen Candela bei einer Testfahrt mit dem Flugschiff in Schmöckwitz auf dem Crossinsee. © Florian Boillot | Florian Boillot

Wie genau funktioniert die Technologie? Ähnlich wie bei einem modernen Flugzeug, aber mit geringerem Tempo. Ab einer Geschwindigkeit von über 30 Kilometer pro Stunde hebe das Boot ab. Die Tragflügel unter dem Boot werden sodann von einem Computer 100 Mal pro Sekunde ausbalanciert, wie es in einer Pressemitteilung des Unternehmens heißt.

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Zur Demonstration der Technologie hatte das Unternehmen zu einer Testfahrt über den Crossinsee geladen. Zu Beginn lässt sich kaum ein Unterschied zu anderen Bootsfahrten feststellen. Erst als der Kapitän die Geschwindigkeit hochfährt, wird mit einem Mal das Wasser- zum Luftgefährt. Die Geräusche nehmen spürbar ab, ein Leichtigkeitsgefühl stellt sich ein, und die vorbeirauschenden Ufer bleiben von sonst durch höheres Tempo entstehende Wellen tatsächlich verschont.

Fliegende Wassertaxis kommen ab 2024 in Stockholm zum Einsatz

Die Tragflügeltechnologie sorge dafür, dass enorm wenig Energie bei der Fahrt verbraucht werde, die für das zur Demonstration genutzte Sechspersonenboot mit einem kleinen Trafo wieder reingeholt werde. Im Nahverkehr anwenden will das schwedische Unternehmen jedoch Schiffe, die 30 Passagiere transportieren können und eine Alternative zum Verkehr in der Stadt darstellen sollen.

In Stockholm soll das ab kommenden Jahr möglich sein. Überzeugt habe die Stadtverantwortlichen dort, dass das sogenannte P-12 Shuttle-Modell selbst bei schneller Fahrt kaum Wellen erzeuge. Daher wurde es von den Geschwindigkeitsbeschränkungen auf dem Gewässer ausgenommen.

In Stockholm soll die Tragflügeltechnologie von Candela die innerstädtische Reisezeit um etwa die Hälfte reduzieren.
In Stockholm soll die Tragflügeltechnologie von Candela die innerstädtische Reisezeit um etwa die Hälfte reduzieren. © Candela | Candela

In der Pilotphase soll ein Schiff zwischen der Vorstadt Ekerö und dem Zentrum Stockholms hin- und herfahren und damit die Reisezeit im Auto von 55 Minuten auf 25 Minuten auf der Elektrofähre reduzieren. Das Ganze zum normalen Tarif, wie bei anderen öffentlichen Personennahverkehrsmitteln auch, so Eklund.

Nun will das Unternehmen in andere Länder expandieren und unter anderem in der wasserreichen Stadt Berlin Fuß fassen. Doch sei dafür ein Entgegenkommen der Politik gefordert. Bislang sind auf Wasserwegen wie der Spree oder dem Landwehrkanal lediglich 10 Kilometer pro Stunde erlaubt.

Warum der Senat erhebliche Zweifel am Einsatz von Wassertaxis hat

Aus der Senatsverwaltung für Umwelt und Verkehr heißt es, dass eine grundsätzliche Offenheit für neue Technologien bestehe, es gleichzeitig aber erhebliche Zweifel am Einsatz der Flugschiffe in den hiesigen Gewässern gebe. So seien die Rahmenbedingungen zwischen den Wasserstraßen Stockholms und Berlins kaum vergleichbar.

Auch die Geschwindigkeit ruft Bedenken beim Senat hervor: „Mischungen im Verkehrssystem zwischen extrem unterschiedlichen Geschwindigkeiten stellen gerade auf stark ausgelasteten Wasserstraßen auch immer ein potenzielles Sicherheitsrisiko dar.“

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Zudem müssten einzelne Uferbereiche wahrscheinlich umgerüstet, hinsichtlich der Ausstiegshöhe standardisiert und die Ladeinfrastruktur ausgebaut werden. „Des Weiteren ist nicht auszuschließen, dass eine strom- und schifffahrtspolizeiliche Genehmigung des Bundes erforderlich sein dürfte.“

Auch auf der Spree bald möglich? Der Senat und die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes haben ihre Zweifel.
Auch auf der Spree bald möglich? Der Senat und die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes haben ihre Zweifel. © Florian Boillot | Florian Boillot

Der Bund spielt insofern eine Rolle, als dass Landwehrkanal und Spree – hier hält Candela einen Einsatz ihrer Flugschiffe für möglich – Bundeswasserstraßen sind, für die die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) zuständig ist. Von dort heißt es, dass ein Verkehr dieser Fahrzeuge nur mit einer Sondertransporterlaubnis zulässig ist. „Für den hier avisierten Einsatzbereich – unter anderem innerstädtische Spree – kann eine derartige Erlaubnis nicht in Aussicht gestellt werden“, sagt ein WSV-Sprecher der Berliner Morgenpost.

ÖPNV und Radwege laut Umweltsenatsverwaltung ausreichend

Ähnlich ablehnend reagiert auch die Senatsverkehrsverwaltung. In Berlin gebe es „Fähren, die aus städtischer Perspektive eine bessere Lösung als Wassertaxis darstellen, weil sie etwa mehr Menschen befördern können, weniger Leerfahrten beschreiben, besser planbar und zeitlich vertaktet sind“, erklärt eine Senatssprecherin. Daher bestünden in Berlin derzeit keine Planungen, Wassertaxis zu etablieren.

Um den Autoverkehr zu entlasten – ein Argument des schwedischen Unternehmens Candela –, sei der gesamte öffentliche Personennahverkehr bereits eine umweltfreundliche Alternative. „Außerdem baut Berlin kontinuierlich die Radverkehrsinfrastruktur aus“, heißt es aus dem Hause von Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU), die in die Kritik geraten war, nachdem sie mehrere Radwegeprojekte in Berlin einer Überprüfung unterzog.

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