Berlin. Die Asiatische Tigermücke gilt als gefährlicher Virenüberträger, Experten warnen. Jetzt bündelt man in Berlin die Kräfte.

Berlin muss Kräfte gegen die Asiatische Tigermücke bündeln. Nach der Warnung des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) ruft jetzt die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege zum gemeinsamen Kampf gegen das gefährliche Insekt auf. Kürzlich waren wieder einige Exemplare des Saugers in Berlin entdeckt worden – wie schon in den vergangenen zwei Jahren in Treptow-Köpenick und jetzt auch in Neukölln.

„Wir gehen jetzt gemeinsam vor“, hieß es im Senat. Die Berliner Gesundheitsämter, das Lageso und die Senatswissenschaftsverwaltung hätten sich darauf verständigt. Man wolle zunächst eine „multiprofessionelle Arbeitsgruppe“ gründen, in der weitere Maßnahmen abgestimmt werden sollen. Eine zentrale Rolle übernehme das Bezirksamt Mitte.

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Tigermücke in Berlin: Bürger werden zum Kampf gegen das Insekt aufgerufen

Christoph Keller, Bezirksstadtrat für Gesundheit in Mitte, hat bereits ein elektronisches Postfach für Anliegen von Betroffenen eingerichtet. Er kündigte an, dass unter vektormonitoring@ba-mitte.berlin.de ein Amtsarzt erreichbar sei. Lukas Murajda, Amtsarzt in Mitte, sagte, dass Berliner und Berlinerinnen, die vermuten, dass sie von einer Tigermücke gestochen wurden, sich dorthin wenden können.

Ebenso wenn sie eine Häufung von Stechmücken besonders tagsüber festgestellt oder den Verdacht hätten, eine Tigermücke gefangen zu haben. „Wir werden dann die Fälle genau beobachten und vergleichen und uns gegebenenfalls mit Bezirk und dem Lageso ein Bild vor Ort machen.“

Im Gegensatz zur heimischen Mücke ist die Asiatische Tigermücke tagaktiv und laut Experten „sehr stechfreudig“. Sie stammt aus den Tropen, Länder wie Indonesien, Thailand und Vietnam sind ursprünglich ihre Heimat. Sie kam vermutlich als „blinder Passagier“ über Schiffe nach Europa, über den Handel mit Gebrauchtreifen und Glücksbambus beispielsweise, heißt es im Senat.

Und sie wird bleiben, auch weil wegen des Klimawandels die Temperaturen hierzulande steigen: Doreen Werner, Biologin am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung, erklärte bereits vor Jahren in der Münchner tz: „Die Asiatische Tigermücke werden wir in Deutschland wohl nicht mehr ausrotten können.“

Der Tigermücke gefällt es, wenn es feucht und warm ist

Seit den Neunzigerjahren breitet sich die Tigermücke massiv in Italien, Griechenland und Frankreich aus, wie das Friedrich-Löffler-Institut angibt. Hier sei die Population schon so groß, dass sie nicht mehr zu kontrollieren ist. Dabei dehnt sich ihr Gebiet sogar nur nach und nach aus. Ihr Flugradius beträgt nämlich lediglich 300 Meter.

Trotzdem ist sie inzwischen in der ganzen Welt zu finden. In Baden-Württemberg sind besonders die wärmeren Regionen entlang des Rheins und der südliche Teil Landes, so der Raum Freiburg, bekannt für Tigermückenpopulationen. In Bayern ist der Raum München ein Hotspot. Auch in Rheinland-Pfalz entlang des Rheins, im hessischen Rhein-Main-Gebiet und im Saarland sowie in Berlin und Thüringen wurden vereinzelt Tigermücken entdeckt.

Bis jetzt wurden noch keine Krankheiten durch einen Stich einer Tigermücke in Deutschland gemeldet. Das kann sich aber bald ändern. Denn einige Viren, die das Insekt mit sich trägt, benötigen bestimmte Temperaturen zu Ausbruch, welche allerdings bald auch in Deutschland gewährleistet sind. In Südfrankreich wurde schon mehrfach die Zika-Infektion gemeldet. Dengue-Infektionen gab es auf Madeira, Kroatien und Frankreich. Im Mittelmeerraum kam es bereits zu Chikungunya-Ausbrüchen.

Hinten ist die Tigermücke schwarz-weiß gestreift

Die Mückenart zeichnet sich besonders durch ihre schwarz-weiß gestreifte Färbung am Hinterleib und an den Hinterbeinen aus. Nur die Weibchen saugen Blut, allerdings besonders aggressiv. Sie stechen bevorzugt Säugetiere. Die Tiere sind mit einer Größe von neun Millimetern etwas kleiner als die heimischen Mücken.

Zur Vermehrung nutzen Tigermücken alle Arten von natürlichen und künstlichen Wasseransammlungen. Deswegen rät die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege, Kleinstgewässer zu vermeiden. Selbst Wasserlachen in Blumentöpfen oder Gießkannen sollen schon ausreichen, dass sich as Insekt gut verbreiten kann.

Im Juni hatte die EU-Gesundheitsbehörde ECDC wegen der sich verändernden klimatischen Bedingungen vor einem steigenden Risiko für durch Mücken übertragene Krankheiten gewarnt. Das ECDC schrieb: Europa werde wärmer, Hitzewellen und Überschwemmungen würden häufiger und heftiger, Sommer länger und wärmer. Dies erzeuge günstigere Bedingungen für invasive Mückenarten wie die Asiatische Tigermücke. Vor zehn Jahren sei das Insekt in acht Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) nachgewiesen worden, jetzt seien es bereits 13.

Der Epidemiologe Daniel Sagebiel, der für das Lageso arbeitet, hatte kürzlich dem „RBB“ gesagt, dass eine „strategische Bekämpfung“ wünschenswert sei. Es müssten Menschen zusammenarbeiten, die sich auskennen und geschult seien, die fachgerecht Brutstätten entfernen und Larvizide einsetzen könnten. Larvizide sind Mittel, die Mückenlarven töten. Außerdem seien regelmäßige Kontrollen und eine Dokumentation der Vorkommen nötig, forderte Sagebiel. Man dürfe keine Zeit mehr verlieren.

Was Baden-Württemberg und Bayern gegen die Tigermücke unternehmen

In Bayern und Baden-Württemberg, wo acht Jahre vor Berlin bereits Populationen von Tigermücken ansässig wurden, ist man inzwischen nicht mehr zimperlich und setzt auch chemische Mittel ein. In Baden-Württemberg werden bestrahlte Stechmücken-Männchen ausgesetzt. Sie sind steril, nach der Kopulation entstehen also nur unbefruchtete Eier.

Für Berlin ist das noch zu früh, meint die Biologin Doreen Werner vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung. Es werde erst dann ein Thema sein, wenn die Population schon so groß ist, dass man sogar mit einer Haus-zu-Haus-Begehung und der individuellen Bekämpfung in den Wasserbehältern nicht mehr nachkomme.