Berlin. Polizei Berlin erfasst 2022 40 Prozent mehr Unfälle mit Elektrokleinstfahrzeugen. Dabei sind auch deutlich mehr Personen verunglückt.

In Berlin steigt die Zahl von Unfällen mit E-Scootern weiter. 1144 Verkehrsunfälle mit sogenannten Elektrokleinstfahrzeugen registrierte die Polizei im vergangenen Jahr, das waren gut 40 Prozent mehr als im Vorjahr. 2021 hatte die Zahl der Unfälle bei 813 gelegen, im Jahr 2020 waren es lediglich 320. Dabei hat auch die Zahl der verletzten E-Scooter-Fahrer zugenommen: 700 Leichtverletzte gab es laut Polizei im vergangenen Jahr, nach gut 500 Leichtverletzten im Jahr 2021 und 200 im Jahr 2020. Die Zahl der Schwerverletzten erhöhte sich von 34 auf 92 und zuletzt schließlich 123 Personen.

Die Berliner Entwicklung entspricht der in ganz Deutschland: Für das gesamte Jahr 2021 sprach das Statistische Bundesamt von 5535 E-Scooter-Unfällen, zwischen Januar und November 2022 gab es bereits 7783 solcher Unfälle, bei denen Personen verletzt wurden. Im Jahr 2021 wurden dem Amt zufolge 4882 Menschen, die mit dem E-Scooter unterwegs waren, verletzt; fünf starben. In den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres registrierte das Statistikamt in Deutschland bereits knapp 6900 Leicht- und Schwerverletzte und neun Getötete.

E-Scooter-Fahrten bei Anbieter Voi in Berlin um eine Million gestiegen

Die Sharing-Anbieter verweisen mit Blick auf die gestiegenen Unfallzahlen darauf, dass auch die Fahrten zuletzt deutlich zugelegt haben. Das schwedische Unternehmen Voi kam eigenen Angaben zufolge 2022 auf 25 Millionen Fahrten in Deutschland, mehr als 20 Prozent davon – 5,8 Millionen – entfielen davon auf Berlin, das damit im Städtevergleich an der Spitze lag. Im Jahr zuvor waren es Voi zufolge etwa 4,8 Millionen Fahrten in der Hauptstadt, die Anzahl ist also um gut ein Fünftel gestiegen.

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„Die Mikromobilität ist in den letzten vier Jahren stetig gewachsen: Seit Einführung der E-Scooter haben Voi und andere Anbieter sowohl das Betriebsgebiet in Berlin als auch den Flottenbestand deutlich vergrößert und an den Bedarf angepasst“, erklärt ein Unternehmenssprecher. Zahlen zu Sharing-Fahrzeugen in Berlin wurden im vergangenen Jahr im Zuge der seit September nötigen Sondernutzungserlaubnis für Mietfahrzeuge bekannt. Damals sprach die Verkehrsverwaltung von gut 54.000 Anmeldungen für E-Scooter in der Stadt. Mitte 2021 ging man noch von rund 26.000 Miet-Zweirädern – also E-Scootern, E-Bikes und E-Mopeds – aus.

Im Bereich E-Scooter sind in Berlin neben Voi die Anbieter Tier, Lime und Bolt vertreten. Ein fünftes Unternehmen, Bird, hatte sich Ende 2022 aus Deutschland und damit auch aus Berlin zurückgezogen. Anbieter Tier meldet ebenfalls deutlich steigende Zahlen, was Nutzer und Fahrten betrifft: So gab es einem Sprecher zufolge im vergangenen Jahr knapp 645.000 Nutzer in Berlin, ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zu 2021. Die Anzahl an Fahrten beziffert Tier für 2022 mit 6,3 Millionen gegenüber gut vier Millionen im Jahr zuvor.

E-Scooter-Unfälle: Alkoholkonsum spielt große Rolle

Dem Voi-Sprecher zufolge ist aber nicht nur die Zahl der Leihfahrzeuge, sondern auch die Anzahl privater Scooter stark angewachsen. Die Schlussfolgerung des Unternehmens: „Gemessen an der Unfallquote ist unseren Erhebungen zufolge in Deutschland sogar eine Abnahme im Verkehrsrisiko zu verzeichnen.“ Dennoch wird betont, mehrere Punkte für mehr Sicherheit umzusetzen. Zentral zum Vermeiden von Unfällen seien Aufklärung und sichere Fahrzeuge, aber – von Seiten der Städte – auch eine sichere Infrastruktur mit Radwegen. Laut Tier kommt es bei E-Scooter-Unfällen zudem nur in seltenen Fällen zu schweren Verletzungen, sofern kein Lkw oder Pkw beteiligt sei.

Das Statistische Bundesamt hatte für das Jahr 2021 festgestellt, dass bei E-Scooter-Unfällen Alkoholkonsum eine „vergleichsweise große Rolle“ spielte. „Das Fahren unter Alkoholeinfluss war gemeinsam mit der falschen Straßenbenutzung der mit Abstand häufigste Vorwurf gegen E-Scooter-Fahrerinnen und -Fahrer“, heißt es in einem Bericht aus dem vergangenen Juli. Bei der Nutzung von E-Scootern liegt die Promillegrenze bei 0,5 und damit ebenso hoch wie beim Autofahren.

Alkohol-Reaktionstest soll Trunkenheitsfahrten verhindern

Anbieter Voi hat mit Blick auf das Risiko einen „Alkohol-Reaktionstest“ entwickelt, den Nutzer zu bestimmten Zeiten vor ihrer Fahrt absolvieren müssen, um zu beweisen, dass sie fahrtauglich sind – in Berlin ist dieser den Angaben zufolge Freitag und Sonnabend zwischen 22 und 5 Uhr aktiviert. Dabei wird die Reaktionszeit der potenziellen Kunden geprüft, die durch den Konsum von Alkohol oder Drogen verlängert wird. Allerdings: Auch wer durchfällt, kann prinzipiell einen der Scooter ausleihen. Kürzlich habe sich beim Karneval in den Städten Aachen, Bonn, Düsseldorf, Mainz und Köln aber gezeigt, dass 98 Prozent der Personen, die bei dem Test gescheitert seien, anschließend auf die Freischaltung eines E-Scooters verzichtet hätten, so Voi.

Einen solchen Test gibt es bei Anbieter Tier bislang nicht, Nutzer werden deutschlandweit aber durch eine Benachrichtigung in der Tier-App in den Nächten von Donnerstag bis Sonnabend zwischen 21 und 4 Uhr darauf hingewiesen, nicht unter Alkoholeinfluss zu fahren. „Die Nutzer*innen müssen in der App in diesem Zeitraum bestätigen, dass sie nüchtern und fahrtüchtig sind“, erklärt der Unternehmenssprecher.

Um für mehr Ordnung am Brandenburger Tor zu sorgen, gibt es dort jetzt mehrere
Um für mehr Ordnung am Brandenburger Tor zu sorgen, gibt es dort jetzt mehrere "Jelbi"-Punkte, an denen E-Scooter und andere Sharing-Fahrzeuge abgestellt werden können. Teilweise waren diese zuletzt bereits überfüllt. © Birgit Lotze | Birgit Lotze

Neue Parkflächen für E-Scooter rund ums Brandenburger Tor

Um mehr Sicherheit insbesondere für Fußgänger zu schaffen, ist auch der Ausbau von Abstellflächen für E-Scooter entscheidend, um die Zahl der mitten auf Gehwegen abgestellten Fahrzeuge zu reduzieren – und damit auch die Stolpergefahr für andere Verkehrsteilnehmer. Im vergangenen Jahr hatte sich die Senatsverkehrsverwaltung vorgenommen, bis Ende 2023 in Kooperation mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) mindestens 150 neue Jelbi-Standorte zu schaffen, an denen Sharing-Fahrzeuge geparkt werden können.

Ein zentraler Ort dabei: das Brandenburger Tor, an dem erfahrungsgemäß besonders viele E-Scooter und Leihräder zu finden sind. Auf der Strecke hin zum Potsdamer Platz wurden rund 20 Abstellflächen angestrebt; inzwischen sind die Parkbereiche in dem Areal auch markiert – und teilweise sogar schon überfüllt gewesen. Eine offizielle Eröffnung der Punkte, die zusammen das „Jelbi-Netz Mitte“ bilden, soll es zeitnah geben.