Berlin. Der Mordprozess um die Schülerin Georgine Krüger hat begonnen. Bei der Verlesung der Anklage herrschte absolute Stille im Gerichtssaal.

Nach einem holprigen Startversuch in der vergangenen Woche hat der Prozess um den Mordfall Georgine Krüger am Mittwoch endgültig begonnen. 13 Jahre nach dem Verschwinden der Schülerin aus Moabit muss sich der 44-jährige Ali K., ein Mann aus der Nachbarschaft der Familie Krüger, vor einer Schwurgerichtskammer des Landgerichts verantworten.

Obwohl die Leiche des Mädchens bis heute nicht gefunden wurde, ist die Staatsanwaltschaft nach langen und aufwendigen Ermittlungen überzeugt, dass K. die damals 14-Jährige bereits am 25. September 2006, dem Tag ihres Verschwindens, vergewaltigt und anschließend erwürgt hat.

Mordfall Georgine Krüger: Berichterstatter aus ganz Deutschland

Es sind nur wenige 100 Meter von der Stendaler Straße, wo die Tat verübt worden sein soll, bis zum Gerichtsgebäude an der Turmstraße, wo jetzt der vorerst letzte Akt des Dramas seinen Lauf nimmt. Das Interesse von Medien und Öffentlichkeit ist riesig, ähnlich wie nach dem Verschwinden der Schülerin und der Festnahme ihres mutmaßlichen Mörders.

Berichterstatter aus ganz Deutschland füllen den großen Schwurgerichtssaal 700. Fernsehteams und Fotografen rangeln um die besten Plätze für die besten Bilder. Auch der Zuschauerbereich ist bis auf den letzten Platz gefüllt.

Im Saal herrscht Stille, als Staatsanwältin Ilka von Koppenfels die Anklage verliest. Auch der amtlich nüchterne Tonfall der Anklagevertreterin kann nicht verbergen, dass es ein Dokument des Grauens ist, das sie da vorträgt. Am Nachmittag des 25. September 2006 gegen 13.50 Uhr, Georgine ist auf dem Heimweg von der Schule soeben aus dem Bus gestiegen, soll K. die Schülerin gebeten haben, ihr beim Tragen schwerer Einkaufstüten zu helfen. Hilfsbereit folgt das Mädchen der Bitte und landet so in einem Keller, den der Angeklagte zusätzlich zu seiner Wohnung an der Stendaler Straße 3 nutzt.

Kaum dort angekommen, schlägt K. der 14-Jährigen nach Darstellung der Staatsanwaltschaft von hinten mit voller Wucht einen schweren Metallgegenstand auf den Kopf. Als das hilflos am Boden liegende Opfer zu schreien beginnt, soll er erneut mit großer Kraft zugeschlagen haben, „um sich das Mädchen gefügig zu machen“, wie es die Staatsanwältin beschreibt.

Anschließend soll er den bewusstlosen Teenager entkleidet, ausgiebig und am ganzen Körper begrapscht und schließlich vergewaltigt haben. Aus Angst, das Opfer könne ihn anzeigen, soll K. sich schließlich hinter die Bewusstlose gesetzt und mit beiden Armen und aller Kraft so lange auf Hals und Kehlkopf gedrückt haben, bis der Tod eintrat.

Prozess um verschwundene Schülerin: Mutter als Zeugin erwartet

Auch darüber, was mit der Leiche geschah, glauben Staatsanwaltschaft und Polizei gesicherte Erkenntnisse zu haben. Ein Teppich und eine Müllverbrennungsanlage spielen dabei eine wichtige Rolle.

Nicht erschienen war am Mittwoch die als Nebenklägerin zugelassene Mutter von Georgine Krüger. Sie ließ sich von ihrem Anwalt Roland Weber vertreten. Seine Mandantin erhoffe sich von dem Prozess Klarheit, teilte dieser in einer Verhandlungspause mit. Ihre Befragung ist am Freitag, 9. August, vorgesehen.

„Sie wird an den kommenden Verhandlungstagen anwesend sein, um sich selbst ein Bild von den vorgebrachte Indizien und der Beweislage zu machen. Dann kann sie sagen, so kann es gewesen sein oder nicht“, sagte Weber.

Am dritten Verhandlungstag vor dem Berliner Landgericht war die Frau, die als Nebenklägerin am Prozess beteiligt ist, in Begleitung ihrer zwei weiteren Kinder erschienen. Der 35-jährige Sohn sagte als Zeuge, er habe immer gehofft, dass Georgine „irgendwann wieder auftaucht“.

Von der Leiche gibt es keine Spur

Nach wie vor gibt es von der Leiche keine Spur, womit zugleich auch der letzte ultimative Beweis fehlt, dass die Schülerin, die heute längst eine erwachsene junge Frau wäre, tatsächlich Opfer eines Verbrechens wurde.

Die Mutter hat sich viele Jahre lang an die Hoffnung geklammert, ihre Tochter werde eines Tages zurückkehren, auch als diese Hoffnung nach und nach zu einem Glauben an ein Wunder wurde.

Beim Landeskriminalamt hat man bereits in Betracht gezogen, dass Georgine Krüger einem Verbrechen zum Opfer fiel, als der Fall noch als Vermisstensache galt. Richtig Fahrt aufgenommen haben die Ermittlungen dann allerdings erst 2017. Eine Neubewertung aller bis dato gewonnenen Erkenntnisse und mehrere Anzeigen sowie ein rechtkräftige Verurteilung des Angeklagten wegen Sexualdelikten brachten die Ermittler endgültig auf die Spur des Mannes.

Aufwendige Ermittlungen

Als sich der Verdacht schließlich erhärtete, begann eine ungewöhnlich aufwendige Operation. Ein verdeckter Ermittler wurde auf K. angesetzt und gewann schließlich in mühsamer und langwieriger Kleinarbeit das Vertrauen des Verdächtigen.

Dem Ermittler gegenüber soll K. die Tat schließlich gestanden haben, worauf Ende 2018 seine Festnahme und schließlich die Anklage erfolgte.

Ali K., selbst Vater von drei Kindern, soll ein besonderes Interesse an sehr jungen Mädchen gehabt haben. Darauf deuten Kinderpornos hin, die auf seinem Handy gefunden wurden – für die Ermittler eines von vielen Indizien. Ein Video zeigt dabei, wie ein kleiner Junge zu Handlungen animiert oder gezwungen wird, die selbst bei einem Erwachsenen als widerwärtig gelten würden. Der Prozess wird bereits am Donnerstag fortgesetzt.