Die Berliner Polizei sucht dringend mehr Frauen. Das ist aber nicht so einfach. Die Behörde probiert etwas aus.

„Quasi wie Weihnachten. Richtig, richtig cool“: Es ist Enthusiasmus pur, wenn die Berliner Polizeianwärterin Helena über ihre neue Uniform spricht, die in riesigen Kartons geliefert wurde. Sich damit zu sehen, sei ein „Wow-Moment, richtig, richtig schön“. Die 29-Jährige mit dem tätowiertem Unterarm schwärmt: „Du guckst dich im Spiegel an und denkst, ja, du hast alles richtig gemacht. [...] Du wirst Polizistin.“ Kurze Videos aus Helenas Alltag zeigt die Behörde seit einigen Wochen auf ihrem offiziellen Youtube-Kanal, um Nachwuchs für die Arbeit zu begeistern.

Zum Thema Uniform erklärt Helena zum Beispiel, dass lange Haare zum Zopf gebunden werden müssten und dass es sowohl Sommer- als auch Winterhosen gebe. Vom Teil einer „Frauenoffensive“ spricht Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Und von gezielter Ansprache einer gewissen Altersgruppe: „Vor allem die Nachwuchsgewinnung richtet sich an die, die ja fast nur noch über Social Media kommunizieren und sich informieren.“ Insgesamt mehr als 50 000 mal wurden verschiedene Helena-Videos bisher angesehen. „Hallo ihr Lieben“ grüßt diese im gängigen Youtube-Tonfall in die Kamera.

Frauenanteil im mittleren Dienst bei rund 20 Prozent

Nachholbedarf bei der Gewinnung von Frauen sieht Slowik vor allem im mittleren Dienst, also bei den uniformierten Polizisten, die in den Hundertschaften und auch auf den Abschnitten arbeiten. Der Frauenanteil dort liege bisher bei nur rund 20 Prozent.

Mitarbeiter des Social Media Teams im Polizeipräsidium  informieren
Mitarbeiter des Social Media Teams im Polizeipräsidium informieren © dpa | Paul Zinken

Es ist nicht das erste Mal, dass die Berliner Polizei in den sozialen Medien auf Kanälen von Facebook bis Snapchat Wege geht, die für eine Behörde ungewohnt erscheinen. Oft bekam sie Lob, etwa für die schnelle und deeskalierende Kommunikation auf Twitter nach dem Terroranschlag in Berlin vor zwei Jahren. Manchmal ging es aber auch nach hinten los.

„Ein Video zum Fremdschämen“ schrieb die „Berliner Zeitung“ im Oktober zu einem Clip über ein Präventionsprojekt. Darin rappen Jugendliche und Polizisten gemeinsam - auch die Beamten geben sich cool, was manche Beobachter als peinlich werteten. Nicht nur das: Dem Video-Produzenten wurde auch vorgeworfen, dass er einmal ein Musikvideo mit gewaltverherrlichendem, islamistischem Inhalt gedreht habe - er sprach in Medienberichten hinterher von einem Fehler.

Slowik räumt ein, dass die Kritik in dem Fall besonders schmerzlich gewesen sei - und dass es durchaus auch Kollegen in der Polizei gebe, die Aktionen wie den Rap-Clip kritisch sähen. Manche fänden, dass die Polizei „ganz konkret bei ihren Kernaufgaben bleiben und nicht so weit gehen sollte wie bei diesem Präventionsprojekt“.

Slowik selbst sieht das anders: „Diese Wege müssen wir nutzen und das tun wir ganz erfolgreich.“ Sieben Millionen Mal seien allein die Inhalte bei Instagram und Snapchat von Januar bis Mitte Dezember 2018 aufgerufen worden.

„Ich meine, dass wir unter den Polizeibehörden bei Social Media deutschlandweit führend sind, wenn nicht gar europaweit“, sagte Slowik. „Wir tun gut daran, das auszubauen und zu stabilisieren.“ Zuwachs für das sechsköpfige Social-Media-Team sei Teil des Stellenpakets, mit dem sie in die Haushaltsverhandlungen gehe. Der Rat des Berliner Teams sei bundesweit gefragt.

Neben Aktionen wie der Kooperation mit einem Influencer, der 2018 auf seinem Youtube-Kanal drei millionenfach geklickte Videos über ein Praktikum der Berliner Polizei veröffentlichte, seien die Mitarbeiter aber auch gefordert, Hasskommentaren etwa bei Facebook „etwas entgegenzusetzen“.

Helena hat ein Tattoo – was inzwischen kein Problem ist

Auch unter den Helena-Videos finden sich kritische Kommentare. „Wie soll man euch dann noch ernst nehmen?“, schreibt ein Nutzer. „Polizei a la Bibis Beauty Palace“, spielt ein anderer auf den Kanal einer der bekanntesten Youtuberinnen bundesweit an, auf dem es um Themen wie Kosmetik geht. Andere Nutzer fragen Helena aber auch nach Bewerbungstipps oder wollen mehr als ein Video pro Woche. Und Helenas Tattoo? Vor einigen Jahren wären es noch undenkbar gewesen, dass sie damit eingestellt worden wäre

Inzwischen sind Tätowierungen bei der Polizei aber in vielen Fällen auch an sichtbaren Körperstellen erlaubt. Davor könne sich die Behörde nicht verschließen, wenn man sich die Verbreitung in der Bevölkerung anschaue, sagte Polizeipräsidentin Slowik. Sie fügte hinzu: „Da würde ich immer dazu stehen. Polizei Berlin entspricht der Stadt, und diese Stadt ist bunt und vielfältig und locker, aber Grenzen muss es für die Polizei dennoch geben.“

Tattoos im Gesicht oder mit extremistischem Inhalt bleiben damit weiterhin auch bei der Polizei in Berlin tabu.

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